Prominente
Jeden Tag landen volle Maschinen mit Israelis, die verreist waren oder im Ausland leben auf dem Ben-Gurion-Flughafen. Sie kommen u.a. aus Japan, Deutschland, Südamerika und den Vereinigten Staaten zurück. Alle haben den Willen in diesen schwierigen Zeiten bei ihrer Familie zu sein und das Zuhause zu schützen. Sie wollen das hektische Land retten, obwohl sie aus diesem Grunde von hier weggegangen sind.
Es stimmt jedoch, dass im Gegensatz zu ihnen, viele Israelis, auch Freunde von mir, am 8. Oktober von hier weggeflogen sind. Aber, ich sage es euch, sie erkannten einige Wochen später, dass als Flüchtlinge zu leben, und vor der Politik des Nahen-Ostens und dem Antisemitismus wegzurennen, halt unmöglich ist.
Ich nehme aus dem Kühlschrank einige Dinge zum Abendessen heraus. Beim Waschen des Gemüses beginne ich ein Taubheitsgefühl in meinen Händen zu spüren und für Sekunden ist mir schwindlig. Ich rufe meiner Mutter aus der Küche zu: „Gibt es Wein im Haus?“
Die Hysterie und das Weinen wird eventuell gleich beginnen, und weil ich Clonex nicht dabeihabe, muss ich etwas trinken. Die ganze Woche drückt es mir den Magen in die Kehle, diesen Zustand kann ich nicht wirklich ertragen. Die Bilder von den vergewaltigten Mädchen, der Krieg, die unendliche Liste von Toten, dem verlorenen Alltag, die unverwirklichte Liebe, nicht in meinem Zuhause zu sein, mein Leben mit meinem Sohn ohne große Ansprüche, erscheint wie eine Fantasie. Ich setze mich für einen Moment hin, spiele Musik auf mein Handy und trinke in drei großen Schlucken ein halbes Glas Wein. Dabei verbrennt schon die Butter in der Pfanne, aber es ist mir egal.
Der erste Shabbat seit dem 7. Oktober rückt näher. Und obwohl die Tage vergehen, dieses Datum bleibt für immer der
Siebente Oktober
Wir sind immer noch auf der Suche nach Menschen und dabei, Leichen zu identifizieren.
Mittlerweile hat Saudi-Arabien den Friedensprozess mit Israel eingefroren. Netanyahus‘ Kriegskabinett trat endlich nach einer Horror-Woche zusammen, die Hamas feuert Raketen aus dem Süden diesmal bis Haifa ab und ein jüdischer Siedler hat einen Palästinenser heute erschossen.
Vielleicht spürt ihr es auch, dass ich wahrscheinlich nicht die Einzige bin, die bis jetzt verrückt geworden ist.
Was ich erstaunlich finde, sind Äußerungen von Prominenten weltweit. Obgleich viele von denen weder in Israel oder im Nahen-Osten waren oder Krieg erlebten, äußern sie sich entscheidend über den Zustand. Natürlich freue ich mich sehr, dass Sportler wie Tom Brady ihre uneingeschränkte Unterstützung für Israel zum Ausdruck bringen, oder der NBA-Champion und ehemalige spanische Star Pau Gasol sich auf seinem Twitter-Account gegen die Hamas ausspricht. Auch was mich besonders mit Optimismus erfüllt, sind Bekundungen wie von „Bnei Sakhnin“ und „Bnei Rayna“, die besten Fußballmannschaften im arabischen Sektor in Israel, die eine gemeinsame schmerzhafte Erklärung für den 7. Oktober veröffentlichen. Jedoch, solche Verlautbarungen sind immer noch in der Minderheit.
Da gibt es andererseits ganz viele Prominente, die das Massaker nicht direkt unterstützen, aber sie behaupten, die Tat der Hamas sei Widerstand gewesen, u.a. Selena Gomez, Hailey Bieber, Kanye West, Bella Hadid u.a.
Klar ist mir, dass sie keine Ahnung haben. Aber selbst Menschen, die nie die USA besuchten, und sahen, wie die Maschinen im Jahr 2001 in das WorldTradeCenter eingeschlagen haben, hielten es nicht für einen legitimen Akt des Widerstands gegen die amerikanische Besatzung in Afghanistan.
Jeder vernünftige Mensch mit ein wenig Vernunft sollte einen Terror erkennen, wenn er/sie ihn sieht.
Ich bekomme eine WhatsApp Nachricht von der Kindergärtnerin und schalte kurz die Musik aus: Sie hat den Eltern informative Videos für die Kinder gesendet, mit denen wir die gegenwärtige Situation erklären können, und dabei ein Cartoons-Video mit Charakteren, die Kinder mögen.
Ich schaue mir die Videos an, und finde sie eigentlich gut. Sie werden meinen Sohn ermutigen hoffentlich mehr über seine Gefühle zu reden. Aber ich warte bis morgen damit. Ich weiß nicht warum. Ein Gefühl halt. Ich bekomme noch eine Nachricht. Natalie hat mir eine Nachricht weitergeleitet, dies Mal von der Kultur- und Sportgemeinde. Familien der Evakuierten haben alles verloren und viele sind in Panik weggerannt. Die Gemeinde bittet die Bewohner der Stadt um Hilfe. Sie brauchen eigentlich alles. Ich werde mir am Samstag oder nächste Woche Zeit dafür nehmen. Heute ist es einfach zu viel . Die Flasche ist leer und es gibt noch kein Abendessen auf dem Tisch.