Kategorie: Yulis Tagebuch

  • Yulis Tagebuch, Folge 24

    Holocaust Gedenktag in Israel und den 7. Oktober

    „Nie Wieder“-Folge

    Nie Wieder“

    In dieser Woche haben wir den Holocaustgedenktag in Israel begangen. Schon vorher habe ich die Spannung, die von diesem Datum ausgeht, gespürt. Denn noch immer sind 133 Menschen in der Gefangenschaft der Hamas, darunter ein Baby, Frauen, Väter, Kinder und sogar ein Holocaustüberlebender, der 86 Jahre alt ist. Daneben gilt die erinnerung jenen Holocaustüberlebenden, die am 7. Oktober ermordet wurden. Und natürlich trauern die Holocaust- überlebenden, die ihre Enkelkinder im Krieg verloren haben, oder die beim Überfall auf das Festival ermordet wurden – es ist schwer, ihnen in die Augen zu schauen. 

    Vor dem 7. Oktober hing der Spruch „Nie Wieder“ sehr eng mit diesem Gedenktag zusammen. In dieser Woche ist der Spruch nicht mehr so stark wie früher betont. Ja, ich kenne natürlich den Spruch „Never Again is Now“ („Nie wieder ist jetzt“), aber er enthält meiner Meinung nach eine ganz andere Bedeutung, die viel stärker lokal als universal und viel mehr eine politische als eine kulturmäßige Aussage ist. Insgesamt gibt es freilich einen großen Unterschied zwischen unserer Perspektive und, wie diese Aussage andernorts in der Welt interpretiert wird. Wir fühlen uns hier mehr oder weniger allein, und deshalb war es in diesem Jahr ein besonders trauriger Gedenktag. 

    Ich finde es falsch, zwischen dem Holocaust und dem 7. Oktober zu vergleichen. Das habe ich schon diskutiert. Aber zwischen dem Holocaust und dem 7. Oktober gibt es eine Verbindungslinie, nicht nur durch die Art der Verbrechen, sondern auch durch die Reaktion darauf. Das Geschehen hat die ganze Welt politisch aufgerüttelt, hat Tabus gebrochen wie etwa den Angriff Irans. Auch die für mich seltsame Frage des existentiellen Rechts der Juden in diesem Land ist überall wieder aufgeworfen worden. Mich erinnert die Verleugnung bzw. die Verkleinerung der Verbrechen der

    Hamas über die formellen Medien und bei ihren Unterstützern und Antisemiten über die Sozial-Media an die immer noch verbreitete Verleugnung der Shoah. Und der stumme Mund schreit: „Aber ihr habt doch selbst Verbrechen begangen, wie könnt ihr eure Gräueltaten jetzt verleugnen?“

    aus: Social Media

    Denn bei der Verwendung von Filmmaterial gibt es eigentlich keine Bindung an irgendeine Wahrheit. Und so, wie man ein historisches Filmmaterial aus dem Holocaust nutzen kann, um Erinnerungen hervorzurufen, kann man denselben Film auch dazu nutzen, die Realität zu verzerren oder zu leugnen, wie es nach dem Holocaust und wie es gleichfalls nach dem 7. Oktober geschah. 

    Trotz der Live-Dokumentierung beeilte sich die Hamas zu behaupten, dass die IDF für den Tod der Zivilisten verantwortlich sei, und brachte dies offiziell in einem am 21. Januar herausgegebenen Dokument zum Ausdruck, in dem sie alle ihr zugeschriebenen Verbrechen leugnet. Dieses Pamphlet wurde in den sozialen Medien verbreitet und wie der letztens aufgetauchte Brief von Bin-Laden erfreut es sich bei Pro-Palästinensern und Antisemiten auf der ganzen Welt großer Beliebtheit.

    Tatsächlich haben auch die Nazis ihre Verbrechen dokumentiert, aber im Gegensatz zur Hamas haben sie diese nicht veröffentlicht. Privatpersonen, die an jenen Dokumentationen beteiligt waren, und solch Filmmaterial über Gräueltaten besaßen, achteten darauf, diese nach dem Krieg zu verstecken oder gleich zu vernichten, um einer strafrechtlichen Verfolgung zu entgehen. 

    Tatsächlich wurde die einzige verfügbare historische Dokumentation in Bundesarchiv, in der man den Akt des Massenmordes „live“ sieht, mit einer Privatkamera gefilmt und ist weniger als eine Minute lang. Daher beruht die historische Erinnerung an den Holocaust wenig auf fotografischen Beweisen der Vernichtung, sondern auf Zeugenaussagen von Überlebenden, Filmen von Ghettos, Fotos und Filmen der Alliierten von der Befreiung, u.a. Auschwitz, Bergen-Belsen usw. und wenigen Fotos und Filmen, die sich im Besitz von Nazis befanden.

  • Yulis Tagebuch, Haifa (17)

    Dieser Text erschien am 30. März 2024  zuerst in der deutschen Version und wird jetzt mit Hilfe von Google und spanischem Lektorat auf spanisch zur Verfügung stehen.

    Purim

    Gestern geschah in Russland ein Terroranschlag. Bewaffnete Männer drangen in einen Konzertsaal ein und erschossen unschuldige Zivilisten. Putin wirft dem Westen, vor allem den USA und Großbritannien, vor, dass die Warnungen vor dem Anschlag Russland in Angst und Schrecken versetzen sollten. Er beschuldigt die Ukraine, den IS-Terroristen einen Fluchtweg ermöglicht zu haben. Ja, er gibt der Ukraine die Schuld, dem Land, das er seit zwei Jahren gnadenlos angreift und das inzwischen massiv zerstört ist, ein Land, dessen Hälfte der Bürger als Flüchtlinge leben. Ja, so ist es mit Menschen wie Putin, die sich als Opfer präsentieren und dabei selbst blutige Beute zwischen den Zähnen halten.

    Ähnlich Putin, der terroristische Akte oder terroristische Regierungen (d.h. Diktaturen), die pausenlos die Stabilität des Westens zu untergraben anstreben, unterstützt, hat auch Hamas ein Interesse daran, dass die Kämpfe im Gazastreifen zunehmen werden. Denn mit der Zeit verliert Israel zusehends seine Legitimität, in Gaza zu agieren, und so wird auch sein Bündnis mit dem Westen erneut auf die Probe gestellt.

    Wir erleben eine dramatische Entwicklung: Der Terror, Krebsmetastasen gleichend, kehrt sofort an jene Stellen zurück, die die israelischen Streitkräfte verlassen haben, um sich abermals auszubreiten. Beispielsweise verschanzten sich erst vor wenigen Tagen Tausende Terroristen im Al-Shifa’a-Krankenhaus. Dort kam es abermals zu einem erbitterten Kampf. Und während die Zahl der Opfer in Gaza zunimmt, ist es für die Hamas ein Sieg im Kampf um das Bewusstsein (d.h. was die Publikumsmeinung weltweit betrifft). Denn wenn die Hamas die Entführten freigelassen hätte, hätte es viel weniger Opfer gegeben und die IDF hätte sich aus den meisten Orten im Gazastreifen zurückgezogen. Aber bei Raubtieren ist das nicht der Fall, Blut schreckt sie nicht ab. Ganz im Gegensatz, es erregt sie nur.

    Inzwischen leben viele Migranten/Olim aus der Ukraine in Israel, ihre Zahl nahm nach dem Krieg mit Russland deutlich zu. Viele ihrer Eltern jedoch haben die Ukraine nicht verlassen. Sie erzählten mir von ihren Familien und dem Krieg dort, wie etwa ihre Eltern das Glas aus den Fenstern nehmen müssen, um bei den Raketenangriffen nicht durch Scherben verletzt zu werden. Stattdessen dichten sie die Fenster mit Holzbrettern ab. Wenn sie ihre Kinder in Israel besuchen wollen, wäre es über Moldawien oder über ein anderes Land, je nachdem, welche Grenze in ihrer Nähe liegt, möglich. Aber die Reise nach Israel dauert manchmal zwei Tage lang. Für viele Eltern ist das zu anstrengend. Als am 7. Oktober der Krieg ausbrach, riefen sie die Kinder an und fragten sie, ob sie in die Ukraine kommen wollten, bis sich die Lage hier beruhigte. Ja, die Situation in Israel ist wahrscheinlich schlimmer als die Situation in der Ukraine, zumindest sieht es von der anderen Seite so aus.

    Was der Krieg in Israel mit dem Krieg in der Ukraine gemeinsam hat, ist die Tatsache, dass die Bilder, die die Welt erreichen, immer nur Teile der Realität sind. Und der Kontext ändert sich je nach Deutung. Und diejenigen, die nicht hier sind, haben keine Vorstellung, was wirklich vor Ort geschieht.

    Diese Woche haben wir Purim gefeiert. Während Israel ständig von Norden her gegen die Hisbollah kämpft, wird über diesen Krieg kaum berichtet. Dieser Krieg bringt also nicht so viele Nachrichten hervor. Die Raketen, die die Hisbollah aus dem Libanon auf uns abschießt, bringen in Europa keine Demonstranten auf die Straße, weder für noch gegen Israel. Es interessiert einfach niemanden, da die Toten in diesem Krieg hauptsächlich israelische Zivilisten sind. Wann habt ihr in einem westlichen Land Kinder gesehen, die mit den Händen auf dem Kopf auf dem Boden lagen? Vielleicht in der Ukraine, zu Halloween, ich weiß es nicht. Ich habe es nirgendwo andernorts gesehen, aber in Israel schon…

  • Yulis Tagebuch, Haifa (16)

    Alles, was ich geben kann

    Seit dem 7. Oktober sind fast zwei Wochen vergangen und der Alltag ist irgendwie anders. Dinge sind nicht mehr die gleichen. Hingegen über solche Dinge wird in den Medien nicht berichtet, weder in Israel noch woanders. Beispielweise, die Fenster in den Häusern sind zugeschlossen. Warum ist es bedeutend oder relevant?
    In einem Land, in dem es meist sonnig und warm ist (die Temperaturen entlang der Küste auch im Herbst sind relativ hoch, etwa +20 Grad Celsius) sind die Fenster oder die Jalousien tagsüber meist geöffnet. Seit dem 7. Oktober sieht es von außen so aus, als wären alle nicht zu Hause. Als wären die Einwohner ins Ausland gegangen. Eine Fantasie, in jedem Fall, da alle zu Hause eingesperrt sind. Das Eindringen von Terroristen in die Häuser führte dazu, dass jeder alles verschloss und niemandem vertraute. Sogar Hauslieferungen haben derzeit aufgehört. Niemand möchte einen fremden Mann mit Helm auf dem Kopf vor der Tür sehen. Außerdem gibt es immer noch ganz wenig Menschen – oder Autoverkehr da draußen, und auch ich habe es nicht eilig, oft einzukaufen.

    Ich rufe Lea, meine Nachbarin, an. Ich bitte sie, meine Post zu Hause zu holen und in der Wohnung kurz reinschauen, ob alles in Ordnung ist. Ich bin sehr dankbar und glücklich, dass ich Lea habe. Sie ist ein Engel von Himmel. Und obwohl sie im Alter meiner Mutter ist, ist sie eine meiner besten Freundinnen. Ein
    Gespräch bei Mittag- oder Abendessen bei einer Flasche Wein mit ihr, ist die beste Unterhaltung. Sie kam ursprünglich aus Deutschland und hat vier Kinder, die in Israel und in Deutschland leben, und außerdem ist sie die glücklichste Witwe, die ich je gekannt habe. Im Grunde könnte sie in diesen Zeiten bei ihrer
    Tochter bleiben, aber sie will in Haifa bleiben, „aus Prinzip!“ beantwortet sie eine Frage.
    Ich beschließe morgen das Gemeindezentrum zu besuchen und für die evakuierte Familien aus dem Süden und Norden benötigte Dinge zu spenden. Bei meinen Eltern gibt es viele Sachen, die wir abgeben können. Da ich aus verschiedenen Gründen nach der Geburt meines Sohnes bei meinen Eltern gewohnt habe, haben wir zum Glück hier alles, was wir brauchen. In gewisser Weise fühle ich mich in einer ähnlichen Situation, in der mein Körper traumatisiert ist, und trotzdem versuche ich mich ganz normal zu verhalten.
    Ich suche auf WhatsApp, die Nachricht von Natalie um die Liste mir noch einmal durchzuschauen. Mein Sohn ruft „Mama, wo bist du?“, „Ich bin hier mein Lieber, im Schrankzimmer. Komm her, hilf mir dein Spielzeug auszusortieren. Nachher gehen wir auch deine alte Kleidung durch, die für dich schon zu klein ist.“
    Nachdem er ins Bett gegangen ist, kann ich auch in Ruhe meine eigenen Sachen aussortieren. Es wäre eine gute Gelegenheit, mich selbst von Erinnerungen und allen möglichen unnötigen Dingen zu befreien. Er hat zwar seine Spielzeuge den Kindern mit Freude geschenkt, seinen alten Teddy… ach, das gelang erst nach
    einer langen Diskussion (und keine Sorge, er hat noch paar Teddys, die wir behalten). Auf jeden Fall war ich stolz auf ihn. Die Kleidung ließ er mich allein sortieren, – da war er schon müde und sein Interesse an Kleidern ist jedenfalls fast Null.

    Lebensmittel stehen aber auch auf der Liste. Gerade mangelt es auch den Soldaten im Feld an Ausrüstung und Verpflegung. Es gibt nicht genug Essen. Darum kümmere ich mich ebenfalls, aber nicht heute, heute bin ich schon durch. Frag mich ja bitte nicht, wo die Regierung in dieser Situation ist, und was die macht. Da ich nichts von der israelischen Regierung erwarte – wie die meisten in
    der Bevölkerung – kümmern wir uns ohne zu fragen umeinander. Netanyahu, meiner Meinung, ist gerade mehr von seinem politischen Absturz verstört als von der Tatsache, dass ganze Städte in Israel mittellos evakuiert werden, und die Bevölkerung erlebt gerade eine seriöse existenzielle Angst.

    Am nächsten Tag kam ich mit fünf vollen Kisten im Gemeindezentrum an, und war echt erstaunt, wie viele Menschen mittlerweile sich engagiert haben. Der Ort war voll mit Menschen und Kisten, und es scheint so lebendig und positiv. Das fand ich wunderbar!

    Foto Kredit: Channel 12 New Expo TLV, Operation Raum von „Ahim La’neshek“ Org.

    Auf dem Rückweg hallte ein Gefühl der Freude in mir wider. Plötzlich war ich voller Kraft. Ich fühlte mich wieder so energiegeladen. Letztendlich gibt es nichts, was uns von innen so erfüllt, wie der Akt des Gebens.

  • Yulis Tagebuch, Haifa (14)

    Dieser Text erschien am 08. März 2024  zuerst in der deutschen Version und wird jetzt mit Hilfe von Google und spanischem Lektorat auf spanisch zur Verfügung stehen.

    Narrative

    Der amerikanische Sender NBC veröffentlichte heute Dokumente, die belegen, dass die Hamas am 7. Oktober bewusst geplant hatte, besonders Jugendlichen und Kindern Schaden zuzufügen. Aus diesen Unterlagen geht hervor, dass der Angriff exakt geplant wurde und es detaillierte Informationen selbst zu den anzugreifenden  Siedlungen gab. Zu den Zielen, die die Hamas hierzu identifizierte, gehören Grundschulen und Jugendzentren. Auf einer der Seiten steht sogar die Instruktion: „Töte so viele wie möglich und Gefangene nehmen!“. Jedem, der eine Geisel bringen würde, wurden zudem eine Wohnung und 10.000 Dollar versprochen. 

    Stellen Sie sich bitte die menschliche Katastrophe vor, die hinter solchen Gedanken und Motivationen steckt. Und bitte denken Sie  dabei nicht daran, dass das der spezielle Akt gegen jüdische Kinder sein soll, sondern nur –  gegen Kinder. Punkt. Egal, aus welcher Religion.

    Warum ist das besonders interessant? Sie erinnern sich sicher, dass ich manchmal in der Zeitlinie vor- und zurückgehe. Im Zusammenhang einer von Südafrika – ein Staat, dessen  Regierungschef sich im Dezember bei offiziellen Besuchen im Land mit Hamas-Mitgliedern traf  – und, ja, ein Land, in dem es für seine Bürger gefährlich ist, in den Stunden der Dunkelheit auf die Straße zu gehen – eingereichten Klage gegen Israel mit dem Vorwurf des Völkermords im Gazastreifen am 21. Januar 2024 kam es zu einer bemerkenswerten Entwicklung: Kurz bevor das Urteil in Den Haag gefällt wurde, veröffentlichte die Hamas, um es gelinde auszudrücken, ein verlogenes, manipulatives und hetzerisches Dokument. Zwar fand es in den traditionellen Medien keine nennenswerte Resonanz, in den sozialen Medien hat es sich dennoch wie ein Lauffeuer verbreitet.

    So, wie der Brief Bin Ladens junge Menschen bewog, ihre Meinungen zum Teil auf Postings mit höherer Sichtbarkeit (dafür ist die Fotogenität und die hohe Fotoqualität wichtig) auszutauschen, zum Teil in Texten bis zu maximal 100 Zeichen oder auf höchstens einer Minute langen Videos zu bilden, so teilten sie ihre Meinung in den Social-Medien auch zu diesem Dokument mit. Diese Meinung basiert oft auf Übernahmen von Social-Medien Influencern, die vor dem 7. Oktober Lebensmittel oder Kosmetik empfohlen haben, oder die im Alter von 21 Jahren ohne jegliche Lebenserfahrung einen Bachelor-Abschluss gemacht haben und sich deshalb als Intellektuelle fühlen.

    Das Hamas-Dokument trägt den Titel „Unser Narrativ – Operation Al-Aqsa-Flut“. In diesem Zusammenhang ist wichtig, folgendes zu betonen: Die Wahl des Begriffs „Narrativ“ befreit automatisch von der Verantwortung für die Wahrheit. Schließlich muss ein Narrativ den Tatsachen nicht treu bleiben. Obwohl es in letzter Zeit unter der Bevölkerung des Gazastreifens auch zu großen Protesten gegen die Hamas kam, sind jene nicht unmittelbar die Zielgruppe des Dokuments. Die Hauptzielgruppe sind vielmehr die internationale Gemeinschaft und insbesondere die jugendlichen Unterstützer der Hamas außerhalb, die zwischen Meinungen und Fakten sowie zwischen der Realität und den Posts auf Tiktok nicht unterscheiden können.

    Mit der Veröffentlichung des Dokuments vor dem Gerichtsurteil versuchte Hamas einen Teil ihrer Legitimität zurückzugewinnen. Das Dokument bestreitet die Zeugnisse, die Geschichten der Augenzeugen und Überlebenden, die forensischen Beweise und hauptsächlich die „Live“-Übertragungen der Gräueltaten der Terroristen. Nun versucht Hamas ironischerweise sich vor ihren eigenen barbarischen und unmenschlichen Taten zu distanzieren, von alledem, was am 7. Oktober zu einem Bild der Eroberung und des Sieges werden sollte. Ihre Fantasie war, Israel in einen totalen Krieg an mehreren Fronten hineinziehen, der zu dessen Zerstörung Israel führen könnte.

    Zu diesem Zeitpunkt zielte die Veröffentlichung des Dokuments darauf ab, das Urteil zu beeinflussen, die von Israel gegen die Hamas vorgebrachten Beweise zu entkräften und ähnlich dem pathologischen Bedürfnis von Mördern und Terroristen, andere zu verletzen und ihre Opfer dann zu beschuldigen, um mit  ihrer Beharrlichkeit durch Manipulation und Lügen der Bestrafung zu entgehen.

    Hiermit einige Zitate aus dem veröffentlichen Narrativ von Hamas: “Avoiding harm to civilians, especially children, women and elderly people is a religious and moral commitment by all the Al-Qassam Brigades’ fighters. […] It has also been firmly refuted the lie of the „40 beheaded babies” by the Palestinian fighters, and even Israeli sources denied this lie. Many of the western media agencies unfortunately adopted this allegation and promoted it. […] The suggestion that the Palestinian fighters committed rape against Israeli women was fully denied including by the Hamas Movement. […]”

  • Yulis Tagebuch, Haifa (13)

    Dieser Text erschien am 1. März 2024  zuerst in der deutschen Version und wird jetzt mit Hilfe von Google und spanischem Lektorat auf spanisch zur Verfügung stehen.

    Jüdischer Weltkongress
    Ein Graffiti in Dortmund vergleicht Juden mit Nazis

    Therapie

    Die IDF (Israel Defense Forces) bereitet sich auf die Invasion der Infantry in den Gazastreifen vor und der Krieg im Norden beginnt sich parallel auszuweiten. Von Syrien aus wurden täglich Raketen auf Galiläa und die Golanhöhen abgefeuert. Als Reaktion dagegen hat die IDF die Stellungen von Hisbollah sowohl in Syrien als auch im Libanon angegriffen. Inzwischen droht der Iran mit einer Attacke und die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, Russland habe dem UN-Sicherheitsrat einen Vorschlag vorgelegt, in dem es einen humanitären Waffenstillstand in Gaza fordert.

    Der Vorschlag fordert auch die Freilassung der Entführten, die Bereitstellung von Zugang zu humanitärer Hilfe und die sichere Evakuierung von Zivilisten. Russland wie auch Iran, die ihre eigenen Bürger terrorisieren, sind besorgt um die Gazaner, die unter der Terrorherrschaft leben und diese Organisation sehr stark unterstützen. Jetzt wollen die Länder für Gaza aufstehen. Insgesamt macht dieses böse Dreieck für sich Sinn.

    Das erste Wochenende nach dem 7. Oktober war hart. Es brachte uns auf psychologischer Ebene zum Samstag, dem 7. Oktober zurück. Die Gebete in den Synagogen hörten sich anders an. Das Abendessen ist ohne großen Appetit gegessen worden und „Entspannen“ fühlte sich ziemlich unbequem an.

    Wie könnte man den Shabbat genießen und sich mitten im Krieg ausruhen, wenn es nicht weit von zuhause Entführte und Tote gibt?

    Sobald das Wochenende begonnen hat, haben die Menschen darauf gewartet, dass es zu Ende geht.

    Nachdem das Gesundheitsministerium alles mögliche Personal mobilisiert hatte, um den Zehntausenden von Evakuierten, den Familien der Entführten, den Familien der Toten, Verwundeten usw. zu helfen, wird im Fernsehen am Freitag gemeldet, dass das psychische Gesundheitssystem in Israel durch die Überlastung zusammenbricht.

    Die psychischen Verletzungen sind eine wichtige Front im Krieg. Sie schwächen die Zivilbevölkerung an der Heimatfront und ziehen benötigte Ressourcen ab. Schließlich zielt der Terror genau darauf ab, nämlich auf die Angst, Panik und die Unsicherheit, die er verbreitet. Und zwar so: Von Beruf bin ich Holocaust- Forscherin und Dozentin für Terrorismus und Medien. Nun zielen diese beiden Themen, mit denen ich mich täglich jahrelang beschäftige, direkt auf mich. Und während schon über den Holocaust und den Terrorismus zu forschen und unterrichten keine leichte Aufgabe ist, bleibt es für mich unerträglich, dass mein kleiner Sohn sich mit Krieg und Terror schon auseinandersetzen muss und er ist noch nicht 6 Jahre alt.

    Aber heute ist Freitag, und wie ich es gestern entschieden habe, sitzt er jetzt vor dem iPad und schaut sich die Sendung an, die ihm den Krieg in Kindersprache erklärt. Oh Mann, das ist so schrecklich!

    Als er sich die Augen wischte, war ich aber ein bisschen erleichtert, da die Spannung irgendwie erlöst wurde. Er möchte aber über die Videos mit mir nicht reden. –„Bist du sicher?“ – „Mama, ich bin o.k., hör auf damit”. Anscheinend brauchte er etwas wie diese Videos, damit er seine Gedanken und Gefühle in Ordnung bringen kann und daran scheiterte ich irgendwie.
    In jedem Haus läuft es natürlich anders. Mit älteren Kindern kann man über den Zustand offener reden. Mit jüngeren gibt es weniger Erklärungsbedarf. Aber in seinem Alter ist es sehr komplex.

    Er versteht, dass etwas passiert ist. Er hört die Explosionen und spürt den Druck, aber wie kann man mit einem kleinen Kind über Kriege und Terror reden, ohne die Seele und seine naiven und guten Gedanken zu zerstören?

    Ab Sonntag beginnen mancherorts, je nach Ausmaß der Bedrohung, die Schulen mit dem Lernen in Zoom. Es besteht jedoch keine Verpflichtung, jetzt die Kinder in die Schule zu schicken. Mittlerweile ist auch die Semestereröffnung an den Universitäten verschoben worden, weil die meisten jungen Männer eingezogen werden und es keinen Sinn macht, das Semester zu eröffnen, wenn die Hälfte der Klassen aus zum Krieg eingezogenen Reservisten besteht. Am Samstag gab es aber Sirenen fast im ganzen Land, und ich schwöre es euch, ich gab mir Mühe, mich zusammenzureißen. Aber es war zu viel für mich. Ich habe ihm eine Nachricht geschrieben: „Bist Du auch rekrutiert worden? Ich mache mir Sorgen um Dich.“

    Therapie
    Avshalom Sassoni/Flashgo
  • Yulis Tagebuch, Haifa (12)

    Prominente

    Jeden Tag landen volle Maschinen mit Israelis, die verreist waren oder im Ausland leben auf dem Ben-Gurion-Flughafen. Sie kommen u.a. aus Japan, Deutschland, Südamerika und den Vereinigten Staaten zurück. Alle haben den Willen in diesen schwierigen Zeiten bei ihrer Familie zu sein und das Zuhause zu schützen. Sie wollen das hektische Land retten, obwohl sie aus diesem Grunde von hier weggegangen sind.

    Es stimmt jedoch, dass im Gegensatz zu ihnen, viele Israelis, auch Freunde von mir, am 8. Oktober von hier weggeflogen sind. Aber, ich sage es euch, sie erkannten einige Wochen später, dass als Flüchtlinge zu leben, und vor der Politik des Nahen-Ostens und dem Antisemitismus wegzurennen, halt unmöglich ist.

    Ich nehme aus dem Kühlschrank einige Dinge zum Abendessen heraus. Beim Waschen des Gemüses beginne ich ein Taubheitsgefühl in meinen Händen zu spüren und für Sekunden ist mir schwindlig. Ich rufe meiner Mutter aus der Küche zu: „Gibt es Wein im Haus?“

    Die Hysterie und das Weinen wird eventuell gleich beginnen, und weil ich Clonex nicht dabeihabe, muss ich etwas trinken. Die ganze Woche drückt es mir den Magen in die Kehle, diesen Zustand kann ich nicht wirklich ertragen. Die Bilder von den vergewaltigten Mädchen, der Krieg, die unendliche Liste von Toten, dem verlorenen Alltag, die unverwirklichte Liebe, nicht in meinem Zuhause zu sein, mein Leben mit meinem Sohn ohne große Ansprüche, erscheint wie eine Fantasie. Ich setze mich für einen Moment hin, spiele Musik auf mein Handy und trinke in drei großen Schlucken ein halbes Glas Wein. Dabei verbrennt schon die Butter in der Pfanne, aber es ist mir egal.

    Der erste Shabbat seit dem 7. Oktober rückt näher. Und obwohl die Tage vergehen, dieses Datum bleibt für immer der

    Siebente Oktober

    Wir sind immer noch auf der Suche nach Menschen und dabei, Leichen zu identifizieren.

    Mittlerweile hat Saudi-Arabien den Friedensprozess mit Israel eingefroren. Netanyahus‘ Kriegskabinett trat endlich nach einer Horror-Woche zusammen, die Hamas feuert Raketen aus dem Süden diesmal bis Haifa ab und ein jüdischer Siedler hat einen Palästinenser heute erschossen.

    Vielleicht spürt ihr es auch, dass ich wahrscheinlich nicht die Einzige bin, die bis jetzt verrückt geworden ist.

    Was ich erstaunlich finde, sind Äußerungen von Prominenten weltweit. Obgleich viele von denen weder in Israel oder im Nahen-Osten waren oder Krieg erlebten, äußern sie sich entscheidend über den Zustand. Natürlich freue ich mich sehr, dass Sportler wie Tom Brady ihre uneingeschränkte Unterstützung für Israel zum Ausdruck bringen, oder der NBA-Champion und ehemalige spanische Star Pau Gasol sich auf seinem Twitter-Account gegen die Hamas ausspricht. Auch was mich besonders mit Optimismus erfüllt, sind Bekundungen wie von „Bnei Sakhnin“ und „Bnei Rayna“, die besten Fußballmannschaften im arabischen Sektor in Israel, die eine gemeinsame schmerzhafte Erklärung für den 7. Oktober veröffentlichen. Jedoch, solche Verlautbarungen sind immer noch in der Minderheit.

    Da gibt es andererseits ganz viele Prominente, die das Massaker nicht direkt unterstützen, aber sie behaupten, die Tat der Hamas sei Widerstand gewesen, u.a. Selena Gomez, Hailey Bieber, Kanye West, Bella Hadid u.a.

    Klar ist mir, dass sie keine Ahnung haben. Aber selbst Menschen, die nie die USA besuchten, und sahen, wie die Maschinen im Jahr 2001 in das WorldTradeCenter eingeschlagen haben, hielten es nicht für einen legitimen Akt des Widerstands gegen die amerikanische Besatzung in Afghanistan.

    Jeder vernünftige Mensch mit ein wenig Vernunft sollte einen Terror erkennen, wenn er/sie ihn sieht.

    Ich bekomme eine WhatsApp Nachricht von der Kindergärtnerin und schalte kurz die Musik aus: Sie hat den Eltern informative Videos für die Kinder gesendet, mit denen wir die gegenwärtige Situation erklären können, und dabei ein Cartoons-Video mit Charakteren, die Kinder mögen.

    Ich schaue mir die Videos an, und finde sie eigentlich gut. Sie werden meinen Sohn ermutigen hoffentlich mehr über seine Gefühle zu reden. Aber ich warte bis morgen damit. Ich weiß nicht warum. Ein Gefühl halt. Ich bekomme noch eine Nachricht. Natalie hat mir eine Nachricht weitergeleitet, dies Mal von der Kultur- und Sportgemeinde. Familien der Evakuierten haben alles verloren und viele sind in Panik weggerannt. Die Gemeinde bittet die Bewohner der Stadt um Hilfe. Sie brauchen eigentlich alles. Ich werde mir am Samstag oder nächste Woche Zeit dafür nehmen. Heute ist es einfach zu viel . Die Flasche ist leer und es gibt noch kein Abendessen auf dem Tisch.

  • Yulis Tagebuch, Haifa (9)

    Supermarkt

    Dank Deutschland fühle ich mich heute weniger allein. Die Fahne Israels am Brandenburger Tor hat mich nie so angerührt wie in diesen Tagen. In der Zwischenzeit steigern sich auch die Spannungen an der nördlichen Grenze mit Libanon. 

    Aber hey, man hat die Wahl optimistisch zu sein, oder? Mit starkem Willen halte ich an der Entscheidung fest, heute nachmittag nach Haifa zurückzukehren. Vorher muss ich aber Lebensmittel einkaufen, um die Küchenschränke zu Hause mit allem möglichen zu füllen. Ich nehme wahr, dass der Krieg noch ein paar Wochen dauern wird, und dass empfohlen ist, von den notwendigsten Lebensmitteln in solchen Krisen einen Vorrat zu haben.

    Also, ich ging zum Supermarkt und ließ meinen Sohn bei seiner Großmutter, die ihn, wenn die beiden allein sind, so gerne mit Süßigkeiten und Kuchen verwöhnt. Der Weg zum Supermarkt war aber seltsam und unangenehm. Auf den Straßen waren nur wenige Menschen, und ich hatte das Gefühl, dass meine Anwesenheit sehr auffällig war. Ich versuchte leise zu laufen, ganz still auf den Bürgersteig zu treten, damit keiner mich hört. Ich wollte unsichtbar für die Menschen werden, obwohl kaum jemand um mich herum war. 

    Ich sah dann doch jemanden in der Ferne, da bin ich mir ziemlich sicher. Ich spürte Hitze an meinem Rücken aufsteigen, aber als ich mich umdrehte, war keiner hinter mir. Wahrscheinlich war es wieder die Welle der Angst, die ich den letzten Tage so oft durch alle Körperteile spürte und die mich wie ein Hochwasser zu ertränken versucht.

    Als wir uns näherten, jeder auf einer anderen Seite des Bürgersteigs, hatte ich das Gefühl, dass mir Köpfe zugewandt wurden. Sehe ich verdächtig aus? Sie haben mich so komisch angeschaut. Und vielleicht sehe ich gar nicht den Mann im Auto der darauf wartet, dass jemand von uns die Straße überquert, um ihn von hinten anzugreifen oder einfach zu überfahren. 

    Ich beschließe, einen Umweg zu machen und anstatt vom Parkplatz des Supermarkts hineinzugehen, laufe ich durch den Park. Zumindest kann man dort nicht überfahren werden. Keine Sorge, das sind vernünftige Gedanken für jemanden, der in Israel lebt. Jetzt aber vertraue ich niemandem, nicht einmal dem 70jährigen Straßenreiniger. 

    Der Weg zum Supermarkt fühlte sich wie die Ewigkeit an. Erst als ich ihn betrete, kann ich wieder normal atmen. Ich habe tief eingeatmet, holte die Einkaufsliste aus meiner Tasche. Wer kann sich heutzutage noch an irgendetwas erinnern? 

    Überraschenderweise oder auch nicht ist die Liste zu lang, und ich weiß es nicht, wie ich alles zurücktragen kann und dabei auch noch schnell genug laufe. „Verdammt, warum habe ich nicht schon früher daran gedacht und den Einkaufswagen genommen?“ Ich beschließe, auf die meisten Konserven gerade zu verzichten, und diese von der Speisekammer meiner Eltern, die normalerweise super voll ist, zu ergänzen, und mich auf die Dinge zu konzentrieren, die ich unbedingt brauche.

    Fünf schwere Säcke voller Grundnahrungsmittel und etwas Gemüse schneiden mir beide Hände auf, aber ich versuche trotzdem, auf dem Rückweg das schnelle Tempo zu halten.

    Erst als ich nach Hause war, hatte ich das Gefühl, dass ich vor Schmerzen meine Fingers nicht öffnen könnte. Ich stellte die Taschen neben unsere Rucksäcke ins Zimmer. Um ehrlich zu sein, ich habe jetzt auf nichts Lust. Ich habe keinen Appetit. Ich möchte nicht raus gehen, und ich möchte auch nicht zu Hause bleiben. Ich will einfach unter der Decke liegen, so dass keiner mich findet. „Mama, mir ist langweilig!“ Scheiße – wann werden wir gehen? Wie spät ist es überhaupt? Erst 12 Uhr. Ich atme durch und beschließe, dass wir zunächst Freunde besuchen, die direkt neben uns wohnen. Vielleicht freuen sie sich ja über die Gesellschaft. Es tut mir bestimmt auch gut, ein wenig Normalität zu spüren. Damit ich nicht vor Angst verrückt werde. Zum Glück waren sie tatsächlich sehr froh über den Besuch und für ein halbe Stunde fühlte ich mich glücklich.

  • Nathan der Weise

    Gotthold Ephraim Lessings (1779) philosophisches Drama über die drei großen abrahamitischen Weltreligionen ist heute aktueller denn je!

  • Yulis Tagebuch, Haifa (6)

    Entscheidungstreffen

    Aktuelle Berichte klären eine bange Frage – die heftige Explosion, von der ich berichtete, war von einer Rakete ausgelöst worden.
    WhatsApp-Gruppen von Verwandten und Freunden tauschten hierzu in Windeseile unterschiedliche Nachrichten aus. Die einen meinten, sie sei über dem Meer explodiert, andere sagen, fünf Kilometer von uns entfernt hätte sie eine Detonation verursacht.
    So oder so, es ist eigentlich unmöglich, in ständiger Erwartung solcher Explosionen über unseren Köpfen zu leben. Um noch präziser zu sein, mir ist der Gedanke von Explosionen über dem Kopf meines Kindes untragbar. Ich beschliesse, morgen nach Haifa zurückzukehren.

    Ich verstehe immer weniger, wie die Menschen in den Kibbuzim oder in den südlichen Städten Israels über 15 Jahre, jeden Tag, jede Woche, jeden Monat mit solchen Bedrohungen gelebt haben. Denn man hat lediglich etwa sieben Sekunden Zeit, wenn solche Explosion die Luft zerreißt. Wenn man ernsthaft
    darüber nachdenkt ist das eher eine Warnung, nämlich die, dass man im Ernstfall kaum jemanden retten kann. Zudem fallen Schüsse auch in der Nacht, wenn Babys und Kleinkinder schlafen und das macht die Suche nach einem Unterschlupf noch weitaus prekärer.

    Welches Land hatte Verständnis dafür, dass man hier mit einer solchen Bedrohung lebte? Kein Land, mit der Ausnahme Israels natürlich. Das einzige Land, das von westlichen und arabischen Staaten ständig diffamieren wird, während diese Länder – bewusst oder unbewusst – jene gefährliche Politik
    unterstützen, seien es die iranischen Ayatollahs und Terrororganisationen, die von Katarischem Geld leben. 2014 hat die Europäische Union die HAMAS von der Liste der Terrororganisation gestrichen, siehe taz.de.

    Politische Ambitionen und internationale Wirtschaftsinteressen bestimmten, was in den Medien im Laufe der Jahre immer deutlicher artikuliert worden ist: Gaza ist das Opfer und Israel der Angreifer. Die alltäglichen Nachrichten oder gar längere Reportagen außerhalb Israels beschäftigen sich deshalb nicht mit den psychischen Problemen, die etwa die Kinder im Süden Israels quälen. Sie beschäftigen sich nicht damit, wie zum Beispiel Familien in Israel unter täglichem Raketenbeschuss und Explosionen leben. Solche existenziellen Probleme, die ein
    Leben im Schatten dieser Ängste aufwerfen kommen in den Nachrichten in Europa oder in Amerika nicht vor. Es sei denn, dass Israel angreift. Dann lautet die Schlagzeile überall, wie eine Pandemie: „Israel greift Gaza an“.

    Im Verlaufe eines Jahrzehnte währenden Konflikts, nach zwanzig Jahren Raketenbeschuss aus Gaza, hatten, so merkwürdig das klingt, die Israelis eine Art Gleichgültigkeit gegenüber dieser medialen Schieflage entwickelt und sich tatsächlich so an sie gewöhnt, dass die Regierung sich lange nicht genötigt sah, ein Informationsministerium einzurichten. Nun ist es inzwischen so, dass eine neue Generation – basierend auf dem, was auf Tiktok läuft und gestützt auf einseitige Medienreportagen – auf den Straßen für die Zerstörung Israels demonstriert.

    Dagegen hatten die Israelis lange keinen guten Plan. Ich erinnere mich an dieses Alter; es gab die Gans N Roses Fans oder die Metallica Fans, jeder in seiner Gruppe. In diesen Zeiten scheint es sehr modern zu sein, Israels Gegner zu werden, und zu dieser Gruppe gehören die meisten jungen Menschen.
    Andere Gruppen sind zu klein, zu alt, haben keine gute PR und Parolen. Ich werde bald in Haifa sein, dann werden wir auf diese Demonstrationen noch zurückkommen.

    Erst am 19. Januar 2024 – und „Halleluja“ muss man hier sagen – wird ein Beschluss des Rates zur Einführung restriktiver Maßnahmen gegen diejenigen, die gewalttätige Aktionen der HAMAS und des Palästinensischen Islamischen Dschihadunterstützt, erleichtern oder ermöglichen – siehe dazu eur-
    lex.europa.eu

    In der Tat ist die HAMAS entsprechend dieser Definition vor allem eine Guerillaorganisation. Wie die Hisbollah, unterstütz von der lokalen Bevölkerung, richtet sich die Organisation mit politischen, militärischen und finanziellen Institutionen ein. Aber wie eine Terrororganisation HAMAS richtet seine Waffen nicht nur auf militärische, sondern auch auf zivile Ziele.

    Ich muss jetzt Wäsche waschen, damit bis morgen alles getrocknet ist. Ich bin mit mir im inneren Einvernehmen, dass wir nach Haifa zurückkehren. Zumindest ist das mein Plan an diesem Morgen. Obgleich mir nach und nach dämmert, dass auch dort wohl nichts mehr so sein wird, wie es früher war.

    Inmitten des andauernden Krieges zwischen Israel und Hamas finden Freiwillige im Kibbuz Alumim einen Sinn im Melken von Kühen – und retten möglicherweise das Leben der traumatisierten Tiere. An diesem Ort, der von einer Tragödie gezeichnet ist, erleben wir Widerstandskraft, menschliche Verbundenheit und gemeinsame Verantwortung im Angesicht des Unglücks.
  • HIOB von Joseph Roth (1930)

    „Mit dieser ‚chassidischen Parabel‘ (E. Steinmann) vollzieht sich Joseph Roths Wandlung vom gesellschaftspolitisch engagierten Reportagenautor der Neuen Sachlichkeit zum poesievoll konservativen Mythendichter. Roth greift für seine ‚wesensergründende Darstellung ostjüdischer Existenz‘ (S. Rosenfeld) auf die Elemente traditionellen Erzählens zurück […]
    Roth versucht, die Frage nach dem Sinn des Leidens im Geist der Bibel zu beantworten; doch ist es die Antwort eines Skeptikers, dessen Leben Heimsuchung war, der die erlösende Gnade inbrünstig herbeisehnte, aber nicht an sie glauben konnte.“

    (Aus Kindlers Neues Literaturlexikon)

    „…wie Victor A. Frankl, der das Konzentrationslager überlebt hat: Man sagt trotzdem JA zum Leben.

    So wie es der große biblische Dulder HIOB tut, ein eigentlicher Versöhnungskünstler. Hiob erleidet immer noch einen Schicksalsschlag, ohne daß er das Vertrauen in Gott verliert. Zur Belohnung schenkt Gott ihm ein langes, glückliches Leben. In Joseph Roths gleichnamigen Roman heißt der moderne Hiob Mendel Singer. Der jüdische Bibellehrer aus Ostgalizien verliert seine ganze Familie, einzig der behinderte Sohn Menuchim bleibt ihm. Mendel hadert, doch dann trifft ein, was ein Wunderrabbi bei der Geburt des “schwachsinnigen“ Menuchim vorausgesagt hat: „Der Schmerz wird ihn weise machen, die Hässlichkeit gütig, die Bitternis milde und die Krankheit stark.“

    Die wundersame Resilienz seines Sohnes, der ein brillanter Komponist und Dirigent geworden ist, versöhnt Mendel mit seinem Schicksal…“

    Aus: Neue Zürcher Zeitung, 23.12.2023, Zumutung der Versöhnung, von Birgit Schmid