Kategorie: Deutsch

  • Yulis Tagebuch, Folge 68

    Abrüsten

    In unserem letzten gemeinsamen Monat möchte ich über die wichtigsten Dinge sprechen. Andererseits bin ich erschöpft von allem und traurig und das Gefühl der Trennung von Euch erschwert mir noch mehr die Fähigkeit zur Konzentration. Abschiede fallen mir schwer. So war es immer bei mir. Ich gehe damit nicht gut um. Normalerweise entscheide ich mich dafür, schnell Schluss zu machen oder einfach ein Thema zu finden, worüber ich streiten kann, um Schluss zu machen. Und wenn dann die Tränen pausenlos laufen und ich bedauere, alles was ich gemacht habe, und dass ich mich nicht richtig verabschiedet habe. Seitdem ich Mutter geworden bin, bin ich nicht mehr so impulsiv und möchte mich nicht verabschieden, sondern jeden und alles, was ich liebe, endlos in den Arm nehmen und umarmen.

    ER wurde letzte Woche verheiratet. So habe ich mich beim letzten Telefonat mit ihm kurz verabschiedet. „OK. Tschüss“ habe ich gesagt. Und dann bin ich ein bisschen gestorben.

    1997 gründete Peres das „Peres Center for Peace“, das seine Vision eines „neuen Nahen Ostens“ reflektiert. Der neunte Präsident verwendete diesen Begriff im Laufe seiner jahrzehntelangen Karriere unzählige Male, um seinen tiefen Wunsch zum Ausdruck zu bringen: Friedliche Beziehungen zu den benachbarten arabischen Ländern aufzubauen. Obwohl Peres im Jahr 2016 verstarb, blieb seine Vision der israelischen Politik präsent, sowohl auf der linken als auch auf der rechten Seite, auch wenn es sich nicht direkt in der israelischen Politik so widerspiegelt. Indirekt wurde seine Vision Teil des israelischen Ethos.

    Die Abraham-Abkommen von 2020 waren ein integraler Bestandteil dieser Vision, auch wenn das Interesse hinter diesen Abkommen sowohl das von den USA als auch von Israel war. In der Praxis gab es schon jahrelang ökonomische und strategische Kooperationen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen

    Emiraten. Israelis reisten schon lange vor dem Abraham- Abkommen dorthin und unterhielten gute Sicherheits- und Wirtschaftsbeziehungen.
    Viele Israelis reisen ob in der Gruppe oder allein auch nach Marokko.

    Sogar israelische Fernsehsendungen wurden dort produziert, wie „Avudim“ (Verloren), wo Menschen, die nach Verwandten ersten Grades wie Eltern oder Geschwistern suchen, oft nach Marokko reisen.

    Wenn man sich also anschaut, was dem Abraham-Abkommen vorausging, sieht man Zusammenarbeit und Offenheit, die über dieses oder jenes Friedensabkommen hinausgehen, und es basiert zunächst einmal auf Vertrauen und gutem Willen, die weit über das eine oder andere Abkommen hinausgehen. Die Abraham- Abkommen machten lediglich die Beziehungen zwischen den Ländern offiziell.

    Seit dem 7. Oktober, während des Krieges in Gaza gegen die Hamas und im Norden gegen die Hisbollah, bewiesen die Beziehungen zwischen den Ländern ihre Ernsthaftigkeit und diese Vereinbarungen standen in außergewöhnlicher Weise dem Druck von innen und außen gegenüber. Darüber hinaus bewies die Zusammenarbeit zwischen den Ländern, auch beim Angriff auf den Iran und beim iranischen Gegenangriff auf Israel, das tiefe Engagement und das gemeinsame gegenseitige Interesse der Länder, die dieses Abkommen unterzeichnet haben.

    Das Interesse klingt hier nach etwas Negativem, aber ich möchte erwähnen, dass die Zusammenarbeit auch vor dem Abkommen stattfand und ihre Bedeutung und ihr Potenzial dank der Abraham- Vereinbarungen zugenommen und intensiviert wurden. Dies ist möglicherweise eines der wenigen guten Dinge, die unter der Trump-Regierung passiert sind.

    (Fortsetzung im nächsten Kapitel)

    Bei einer Razzia von US-Bundesagenten in der Zweigstelle „Students for Justice in Palestine“ der George Mason University fanden Agenten moderne Schusswaffen und Dutzende Munition sowie ausländische Pässe und Fahnen.Es scheint, dass Hamas- und Hisbollah-Anhänger in den USA nicht nur Banner, sondern auch Waffen haben.
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  • Yulis Tagebuch, Folge 67

    Der Anfang vom Ende

    Diese Woche wurde ein Waffenstillstandsabkommen mit dem Libanon unterzeichnet und der Waffenstillstand trat in Kraft. Seither hat Israel bereits mehrfach im Libanon angegriffen, weil die Vereinbarung, nicht ganz überraschend, von der Hisbollah gebrochen wurde.

    Mitten in diesem Chaos rief die israelische Regierung die Einwohner Israels dazu auf, in den Norden zurückzukehren, parallel wurden die meisten Beschränkungen aus dem vergangenen Jahr aufgehoben. Tatsächlich kehrten Einwohner in den Norden zurück, fühlten sich aber dort nicht wirklich sicher und so blieben ebenso viele dort, wo sie im letzten Jahr gelebt haben. Denn das jetzt vorgefundene Haus ist nicht dasselbe Haus, das man zuvor verlassen hatte, und auch die Stimmung ist anders. Nach mehr als einem Jahr in den Norden zurückzukehren, bedeutet, an einen zerstörten Ort zu kommen, an dem es nach Rauch riecht und über allem ein Gefühl der Unsicherheit über die Zukunft liegt. Es geht darum, die Straßen, die Häuser, zugleich den eigenen Körper und die Seele, aber ebenso die Natur, neu zu beheimaten sind nicht zuletzt die Tiere, insgesamt wiederherzustellen.

    Selbst das Museum im Ghetto-Fighter-House, das erste Holocaust- Museum der Welt, droht aufgrund der wirtschaftlichen Schäden, die es durch den Krieg erlitten hat, geschlossen zu werden. Seit mehr als einem Jahr kamen keine Besucher, es gab keine Veranstaltungen mehr und trotz des Raketenbeschusses, dem das Gebäude ausgesetzt war, gibt es noch keine finanzielle Quelle für eine Entschädigung, obwohl im Parlament zugesagt.

    In Kürze wird das Jahr zu Ende sein, aber am Horizont gibt es immer noch nichts Freudiges. In der Tat nehmen dieSchwierigkeiten aus allen Richtungen und die Schmerzen zu. Beispielweise steigt die Mehrwertsteuer zum 1. Januar 2025 von 17% auf 18%. Das heißt, wir zahlen für alles noch mehr, zusätzlich zu der kräftigen Preiserhöhung des letzten Jahres. Und der Krieg ist längst nicht vorbei. In Gaza gibt es immer noch 101 Entführte und die Raketenbeschüsse und Drohnenangriffe gehen weiter. 101 Entführte. Frauen, Mädchen, Kinder, Jungen, junge Männer und alte Männer, die darauf warten, nach Hause zurückzukommen.

    Auf den Fotos der Entführten, die im ganzen Land (an den Kreuzungen, auf Straßenschildern, an Autobahnen usw.) seit mehr als einem Jahr hängen, wurde das dort angegebene Alter mittlerweile gelöscht und ein aktuelles eingesetzt. So wird das gelbe Band, das überall zu sehen ist, ist von Tag zu Tag schmerzhafter. Denn unser Gefühl, dass es kein Abkommen geben wird, wird immer stärker; und wenn es eines geben sollte, werden wohl von dort nur Leichen zurückkehren. Und selbst das ist nicht sicher, werden alle Getöteten gefunden werden?

    Der Vater von Liri Elbag sagte unlängst in einem Interview, er sei bereits so verzweifelt, dass er sich mit der Bitte um Hilfe selbst an organisierte Kriminelle gewandt habe. Damit hat er sich und sein Leben riskiert, ohne Zweifel. Das sei ihm ohne seine Tochter aber nichts wert. Er zahlte viel Geld, aber leider auch das funktionierte nicht.

    Nach Sinwar nutzt die Hamas weiter die Gelegenheit, um uns psychologisch zu verletzen. Heute veröffentlichte sie ein weiteres Video von einem der Entführten. Zu sehen war Idan Alexander. Idan wirkte gebrochen, als leide er unter Schmerzen. Er spricht zu seiner Mutter, Großmutter und zu seinem Vater und bittet sie, stark zu sein, während er im Inneren wohl zusammenbricht. Ich schaue das Video voller Schuldgefühle und Ekel an. Schuldgefühle, weil die Regierung nicht genug tut, um ihn zurückzuholen und Abscheu vor dem Bösen in dieser Welt und der schmutzigen Politik. Wie schon so oft sind wir wieder eine durch den Schmerz gespaltene Nation, die keinen Frieden kennt, während überall ein inneres Gefühl der Unsicherheit herrscht. Etwas in uns geschieht. Inmitten all dieses Wahnsinns laden uns Freunde aus der Ukraine ein, mit ihnen das neue Jahr zu feiern. Sie laden einen Weihnachtsmann ein, damit er die Kinder unterhält. Es scheint mir, um es ehrlich zu sagen, das Beste, was am Ende dieses Jahres passieren kann: Sich zu betrinken und kurzzeitig Illusionen und das Vergessen zu genießen.

    Ich wollte IHN nicht erwähnen, da ER und ich seit über einem Monat keinen Kontakt mehr hatten. Ich habe gehört, dass ER eine nette Frau kennengelernt hat. Schön für sie. Ich, im Gegenteil dazu, in Momenten, in denen es niemand sieht, breche zusammen. Und ich kann nicht vorhersehen, was in einer Woche passieren wird. Alles ist in dichten Nebel gehüllt. Ich weiß nicht einmal, ob ich hierbleiben oder nach Haifa zurückkehren soll. Ich versuche auch zu verstehen, was gut für mich ist. Sollte ich zurückgehen, weil ich von dort komme, oder hierbleiben, mit der Familie, und etwas Neues schaffen?

    Ich weiß nur, dass ich mich in ein paar Wochen von Euch verabschieden muss, und noch nichts ist vorbei.

    Vielleicht näher als je zuvor an einer Einigung über die Freilassung von Gefangenen. Es gibt ägyptische Vermittlung, nordamerikanischer Druck und die Katarer üben Druck auf die Hamas aus, ihrer Forderung nach einem vollständigen Waffenstillstand nachzugeben ein Ausweg aus dem ernsten Problem.
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  • Yulis Tagebuch, Folge 66

    Moran Stella Yanai

    Möglicherweise wird erwartet, dass ich jetzt über die Haftbefehle schreibe, die der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag gegen Netanyahu und Gallant verhängte. Ich habe aber beschlossen, mich in dieser Woche etwas anderem, mir sehr Wichtigem zu widmen.

    Vor vier Tagen wurde erstmals ein Video von Moran Stella Yanai (40), eine der Entführten des Nova-Festivals, die in der sechsten Runde freigelassen wurde, veröffentlicht. Yanai war zum Nova- Festival gefahren, um von ihr selbst entworfenen Schmuck zu verkaufen und sie wurde nach Gaza entführt.

    Moran Stella Yanai möchte keinesfalls als Opfer betrachtet werden. Etwa kämpfte sie mit den Terroristen, die sie entführt hatten. 13 Männer mussten ihr das Bein brechen, um sie zu neutralisieren und tragen zu können. Eine wahre Kriegerin kein Opfer. Moran Stella Yanai war 54 Tage lang Hamas-Gefangene. Am 26. Oktober sprach sie auf der wöchentlichen Demo für die Entführten und sagte: „Jeder Tag in der Gefangenschaft war ein weiterer Kampf, bis ich aufhörte, die Tage zu zählen, denn in der Gefangenschaft war jeder Tag, der verging, wie ein Stich ins Herz. Die Zeit in der Hölle hat keinen Wert. […] Es ist mir wichtig zu sagen: Wenn es rechtzeitig zu einem Abkommen gekommen wäre, wären möglicherweise viele Entführte, Soldaten und viele Bewohner hier bei uns gewesen. Viele von ihnen kamen nicht zurück, weil wir uns entschieden hatten zu warten, und das Warten führte zu immer mehr Opfern.“

    Ja, immer noch kein Abkommen. Derselbe Bibi, der einen Haftbefehl erhalten hat, unternimmt nichts, um die anderen Entführten nach Hause zurückzuführen. 101 Entführte, für die jeder Tag eine Ewigkeit ist. Yifat Hayman, die Mutter von Inbar Hayman, die ebenfalls vom Nova-Festival entführt und in Gaza

    ermordet wurde und deren Leiche immer noch von der Hamas festgehalten wird, sagte bei derselben Demo: „Die tote Inbar wird immer noch in Gaza von der Hamas festgehalten und wir kämpfen für ihre Rückkehr für eine ordnungsgemäße Beerdigung im Lande Israel. Nach einem Jahr und unzähligen Gedenkfeiern habe ich das Gefühl, dass wir jedes Mal aufs Neue ermordet werden. Mein Herz brennt.“

    Vor vier Tagen, am 18. November, wurde ein Video von der „Debatte“-Veranstaltung veröffentlicht. Die „Debatte“ fand in Los Angeles im Juni statt. An ihr nahmen Monad Hassan Yosef (bekannt als der „Grüne Prinz“, Sohn des Führers der Hamas in Judäa und Samaria), Moran Stella Yanai, Professor Dov Waxman, Direktor des Center for Israel Studies an der University of California (UCLA), Los Angeles, und Aidan Doyle, pro- palästinensischer Aktivist und Organisator des Protestcamps an derselben Universität, teil.

    Das Video ging am letzten Tag mit dem zweiten Teil des Interviews ins Netz, in dem Yanai zu Doyle spricht. In diesem jetzt veröffentlichten Abschnitt holt Yanai kurz Luft, bevor sie beginnt, und sagt zu Doyle, dass sie mit ihm auf Augenhöhe sprechen möchte, was ihr sehr schwerfiele: „Als ich nach Gaza gebracht wurde, wurde ich drei Mal entführt. Das letzte Mal wurde ich von 13 Hamas-Terroristen gefangen genommen. Hast Du schon einmal Israel besucht? Warst Du schon einmal in Gaza? Wenn Du die Bürger von Gaza verteidigst, unterstützt Du, dass Frauen keine Rechte haben, weil sie dort, in der arabischen Gesellschaft, keine Rechte haben. Sprichst Du über Völkermord? Am 7. Oktober erzählten mir Hamas-Terroristen, dass sie nichts vom Nova-Fest wüssten, sie erzählten mir, dass sie vorhätten, so viele Juden wie möglich in Beer Sheva, Tel Aviv und Haifa zu töten. Sie wollten alle abschlachten. Vielleicht glaubst Du mir nicht, aber ich kann Dir Videos zeigen, die ich dort (in Nova) aufgenommen habe. Weißt Du, wie viele Leichen ich dort gesehen habe?

    Als ich nach Gaza kam, sah ich, wie 100 Prozent der Bewohner meine Entführung feierten. Ich wusste nicht, dass es noch andere Entführte gab. Alles, was ich sah, war, dass 100 Prozent der Menschen um mich herum mich lynchten und mich schlugen, als ich ein gebrochenes Bein und blaue Flecken hatte. Weißt Du, dass ich sie kein einziges Mal verflucht habe? Ich habe sie respektiert, auch wenn sie mich misshandelt haben, weil ich glaube, dass man Respekt zeigen muss, um Respekt zu bekommen.“

    Yanai bezieht sich später auf Doyles Rede und sagt ihm, während Doyle Schwierigkeiten hat, ihr in die Augen zu sehen: „Ich würde wünschen, dass wir ein persönliches Gespräch ohne Publikum führen könnten. Denn es ist in meinen Augen schrecklich, dass Leute solche Meinungen haben, und dazu möchte ich wirklich Deine Seite zu hören. Das ist meine Agenda, ein Zusammenleben zu leben.

    Wir gingen tanzen, wir haben niemanden angegriffen. Sei nicht verärgert, ich frage Dich als Menschen: Unterstützt Du diese Aktionen? Wenn diese Ereignisse nicht stattgefunden hätten, würden wir dann hier sitzen? Ich bitte Dich nur um eines, denn ich sehe, dass Du Dich nicht wohl fühlst. Überprüft die Fakten auf beiden Seiten, das macht das Leben besser.“

    WAFFENSTILLSTAND ZWISCHEN DEM LIBANON UND ISRAEL WURDE VERKÜNDIGT, DER DIE HIZBOLLAH EINHALTEN WÜRDE.
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  • Yulis Tagebuch, Folge 65

    Dilemma

    Donald Trump wurde soeben zum Präsidenten der USA gewählt und die Wahlen werden, wie stets, auch immense Auswirkungen auf Israel haben. Gleichzeitig entließ der Premierminister Verteidigungsminister Galant und er ersetzte ihn mit einer Person, die zuvor Verkehrsminister und später Außenminister gewesen war. Das ist einfach lächerlich, denn es ist sehr fraglich, ob er in der Lage ist, mit den Amerikanern eine sachliche Diskussion auf Englisch zu führen und sie zu verstehen. Sicher ist, dass die Entscheidung, den für Israel hervorragenden Verteidigungsminister gerade jetzt zu entlassen, nur auf den persönlichen Interessen von Binyamin Netanjahu beruht, der uns weiterhin vernachlässigt.

    Parallel wartet Israel auf den Angriff des Iran. Gestern drohte man von dort mit einem Cyberangriff, der vielleicht schon geschehen ist oder auch nicht – ich weiß nicht, ich habe die Nachrichten in den letzten Tagen nicht gewissenhaft verfolgt, weil ich mit dem Semesterstart viel Arbeit hatte. Gleichzeitig schreitet meine Archivrecherche voran und da entdecke ich Texte, die in den siebziger Jahren entstanden sind, aber so klingen, als wären sie erst vor ein paar Tagen geschrieben worden wären.

    Ich paraphrasiere jetzt das, was damals gesagt wurde, denn ich bin noch nicht bereit, den Sprecher, den Ort und die Zeit zu veröffentlichen: „Schon die Tatsache, dass wir Juden sind, ist eine Schuld. Und es gibt ein System, das über diese Schuld urteilt. In diesem System ist es möglich, dass wir angegriffen, aber als die Aggressoren bezeichnet werden.

    Denn wenn ein erklärter kämpfender Feind Ehrenmitglied der Justizinstitutionen der Nationen wird, die uns outen/verurteilen oder mit einem Boykott drohen. Hier ist es möglich, dass

    Bewegungen, die Frauen und Kinder töten, als unterdrückte Befreiungsbewegungen bezeichnet oder anerkannt und beschrieben werden und wir vor Gericht stehen und wegen Nazi- Akten angeklagt werden.“ (Y.B.A.)

    Ich denke an diese Worte, die kurz nach dem Jom-Kippur-Krieg gesagt wurden und ich denke, dass heute die existenzielle Gefahr für den Staat Israel tatsächlich nicht von seinen Nachbarländern ausgeht. Gaza ist kein Staat und der Libanon wird nicht als Feind angesehen, wie die dort herrschende Organisation der Hisbollah. Jene Gefahren entstammen tatsächlich weiter entfernten Ländern, jenen, die Hass und Antisemitismus fördern und sie geschehen lassen.

    Israel hat im Nahen Osten Bündnisse geschlossen, insbesondere in den letzten Jahren mit den 2020 „Abraham-Abkommen“, parallel mit dem Zerfall von Ländern wie Libyen und Irak, die einen fruchtbaren und wohlhabenden Nahen Osten hätten schaffen können. Aber der Antisemitismus ist stärker als jede Logik und so tief in der Menschheit verankert, dass er durch die Friedensverträge mit seinen Feinden noch hasserfüllter wird.

    Diese frustrierenden Gedanken gehen mir ständig durch den Kopf. Die Schuld, die Opfer, das Böse in der Welt, der Schmerz, die Liebe, der Wunsch zu lieben und geliebt zu werden, der Wunsch, zu beschützen und sich beschützt zu fühlen. Eine kultivierte Unterhaltung mit Menschen in der Welt führen und zu wissen, dass es möglich ist, meine Meinung zu teilen, aber ebenso vielleicht auch nicht und dennoch verständlich zu sein.

    Nun genug des Hasses … Warum müssen die Menschen so sehr hassen? Es spielt überhaupt keine Rolle, welches Geschlecht, welche Religion oder welche Hautfarbe eine Person hat. Das Leben ist zu kurz, um es mit hasserfüllten Gedanken zu verschwenden. Am Ende sterben wir alle, ahnungslos sowieso …

    Ja, die Dummheit hat mich diese Woche sehr gut angetroffen. Als wir vom Schwimmunterricht zurück ins Auto stiegen, heulten ein paar Minuten später die Sirenen. Wir fuhren in dem Moment über eine Brücke. Wir blieben an einer roten Ampel stehen, ich öffnete die Fenster und sah am Himmel das helle Licht, das gleich explodieren sollte. Ich sagte zu meinem Sohn: „Wir müssen aus dem Auto aussteigen und uns verstecken, weil es nicht sicher ist, im Auto zu bleiben.“

    Die Sirenen heulten im Hintergrund weiter. Die Ampel war grün. „Mama, halt nicht an, fahr weiter.“ Drei riesige Explosionen über uns am Himmel. „Vielleicht halten wir hier an?“, fragte ich. Wir standen an einer Kreuzung, alle Autos waren leer, nur ich und mein Sohn saßen noch im Auto. „Weißt Du, dass es wirklich gefährlich ist, dass wir hier sitzen? Weißt Du, dass das Auto in einer Sekunde in Flammen aufgehen kann, wenn Raketenteile in unserer Nähe oder auf uns fallen? Warum höre ich Dir zu und wir steigen nicht aus dem Auto? Es ist falsch!“

    Mir wurde klar, dass ich mit einem sechsjährigen Kind diskutierte, anstatt es aus dem Auto zu holen und in Deckung zu gehen, um es zu beschützen. Ich erstarrte. Ich gebe zu, dass ich Angst davor verspürte, aus dem Auto auszusteigen. Ich hatte Angst, dass ich es nicht aushalten würde, dass ein anderes Auto vorbeifahren und wir angefahren werden würden.

    In welchem Dilemma stecke ich in meinem Leben, nur weil wir Juden sind. Allein die Tatsache, dass wir Juden sind, ist unsere Schuld, aber das wurde schon gesagt …

    Sie reden über friedenssuchenden Krieg. Die Hisbollah sagt, sie werde Tel Aviv heute um 20:45 Uhr angreifen.
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  • Yulis Tagebuch, Folge 64

    Israel am 7. Oktober, Kreta am 4. November, Amsterdam am 8. November und der 9. November 1939.


    Ich habe bereits mehrfach beschrieben, wie komplex es heutzutage ist, als Israeli im Ausland zu sein. Nirgends, meine ich, dass die Israelis wirklich sicher – und deshalb bleibe ich trotz des aktuellen Krieges mit meinem Kind hier. Die meisten von Ihnen verstehen das Gefühl wahrscheinlich nicht oder können sich die Gefahr nicht wirklich vorstellen. Aber vielleicht können die letztens Ereignisse in Amsterdam, der Hauptstadt des Käses und der Holzpantinen, die Bedrohung veranschaulichen, die Israelis im klassischen Europa droht.
    Der König von Holland, Willem-Alexander, den die Angriffe betroffen machten, sagte unter anderem: „Wir haben die Juden im Holocaust enttäuscht – und noch einmal gestern Nacht.“ Daher war ich zunächst sehr froh, dass er den Holocaust erwähnte, denn morgen ist zufällig (oder nicht) der 9. November; der Tag, an dem ein Mob auf die Straße ging, um Juden, Männer, Jungen und Mädchen zu jagen. Entschuldigung für diesen Gedankensprung, aber das war nicht 1939, sondern gestern nach einem Fußballspiel von Maccabi Tel-Aviv in Amsterdam. Arabische Terroristen warteten in der Stadtmitte Amsterdams auf die Israelis, schlugen und lynchten sie, bis sie ohnmächtig wurden …

    Quelle: j.majburd


    Die niederländische Polizei erhielt tatsächlich eine Warnung vom israelischen Shin-Bet bezüglich der Absichten von Pro- Palästinensern – ein verniedlichender Begriff, in einfachen Worten: muslimische Terroristen –, den israelischen Fans Schaden zuzufügen, und nannte sogar Standorte in der ganzen Stadt. Aber die Polizei verstärkte ihre Streitkräfte nicht und machte sich nicht die Mühe, die Israelis zu schützen, und so geschah, was geschah. Britische Medien haben es als „Zusammenstöße zwischen Fans“ beschrieben, andere Reporter dort haben auch die Fans Israelis beschuldigt. Den Geheimdienstinformationen zufolge war Holland einfach wie in den 1930er Jahren gleichgültig und kollaborierte irgendwo mit der gewalttätigen und antisemitischen Menge, was

    es ihnen ermöglichte, ungehindert Pogrome auf seinen Straßen durchzuführen. Die Polizei tat nichts, um die Brutalität und die Mordversuche zu stoppen, und alles geschah vor den Augen der Bürger Amsterdams.
    Einer der israelischen Fans, ein 30-jähriger Reservist, der nach viermonatigen Kämpfen aus Gaza zurückgekehrt war, schrieb eine persönliche Aussage über die Ereignisse. Zum ersten Mal wird von einem rechtsextremen Prime Minister ein Opfer von Gewalt zitiert, vor allem ein israelischer Jude. Und so zitierte Geert Wilders eben den jungen Mann in seinem X-Account: „Ich habe einen viermonatigen Reserveaufenthalt in Gaza absolviert und was ich hier erlebt habe, ist nicht weniger beängstigend. Hier draußen herrscht Krieg. Sie überfuhren mich und richteten ein Messer auf mich. Ich bin leicht verletzt, aber ich bin nicht bereit, hier behandelt zu werden, sondern nur in Israel. Es war ein Hinterhalt. Ich befinde mich in einem totalen Schock. Ich habe sogar gesehen, wie Kinder geschlagen wurden. Hier gibt es keine Polizei, nur Chaos. Alles war im Voraus organisiert und die Polizei hier hat uns im Stich gelassen. Jeder vierte Mensch, der auf der Straße geht, ist ein Muslim, der gekommen ist, um Juden anzugreifen. Ich und mehrere hundert andere Fans sind im Hotel umzingelt, die Polizei erlaubt uns nicht, das Hotel zu verlassen. Wir wollen einfach nur nach Hause fliegen.“
    Bei einem brasilianischen Jiu-Jitsu-Wettbewerb vor fünf Tagen in Kreta, einem Wettbewerb für Kinder bis 14 Jahre, besiegte der Junge aus den Vereinigten Arabischen Emiraten im Kampf um die Goldmedaille Daniel, den Jungen aus Israel. Unmittelbar nach dem Sieg blickte der arabische Junge in die Menge und machte mit der Hand an der Kehle eine Geste des Abschlachtens. Nach Beschwerden des Publikums, das die Veranstaltung aufzeichnete, disqualifizierten die Richter den Jungen und überreichten Daniel die Medaille. Es war erst am Ende des Wettbewerbs. Aber

    während des gesamten Wettbewerbs schüttelten die Kinder und Jungen aus Kasachstan, Saudi-Arabien und Katar die Hand von den Israelis nicht, und benahmen sich den israelischen Athleten gegenüber nicht sportlich und ihr Publikum buhte die israelische Mannschaft aus. Und das bei einem Wettbewerb von Kindern bis zu 14 Jahren. Das ist pure Erziehung von Geburt zu Judenhass.
    Nicht mehr und nicht weniger – es geht hier nicht vorrangig um Politik oder Ideologie, wir sprechen hier von Vorfällen am Rand von Wettkämpfen im Sport. Stellt Euch vor, diese Ereignisse wären nicht gefilmt worden. Niemand auf der Welt hätte dann gewusst, dass sie stattgefunden haben. Wer würde wissen, in welche Extreme und wie leicht die Gewalt gegen Israelis und Juden auf der Welt eskalieren kann?

    „Deutschland gibt endlich zu, dass es immer noch Antisemitismus gibt!“
     Das deutsche Parlament versucht, angesichts des jahrzehntelangen Antisemitismus eine Entscheidung zu treffen, die öffentlichen Finanzen an Gruppen zu melden, die Teil Israels sind.
     Mit der Zustimmung von 93 % des Bundestages.  Die Entscheidung stellt eine historische Rekonstruktion der Ära des Antisemitismus in Deutschland dar.
     Quelle: Communities Plus
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  • Yulis Tagebuch, Folge 63

    Netanyahu’ Productions präsentiert: Die unendliche Geschichte

    Aus lokaler Sicht gibt es ein ganzes Parlament, um genauer zu sein, 120 Menschen, die, (gelinde gesagt) wenig beitragen zu politischen Entscheidungen. Unter uns darf man aber direkt sagen, dass sie schädlich für den Staat Israel sind, und ich schäme mich, dass sie mich vertreten.

    Es gibt viele Probleme, aber eines der großen Probleme ist die israelische Demokratie unter der Führung von Binyamin Netanjahu. Ich glaube wirklich, dass er und seine „Menschen“ eine Gefahr für den Staat Israel sind. Und ich sage absichtlich „seine Menschen“, weil er sich eher wie ein Gangster als ein Premierminister verhält.

    Tut mir leid für alle, die Israel lieben, tut mir leid. Ich bin sehr stolz auf alles, was die Bürger des Landes in diesen Tagen tun: für Spenden für die Soldaten, für die Sorge und das Kümmern um die Flüchtlinge/Evakuierte, für die Familien der Opfer. Es gibt wirklich kein Land auf der Welt, dessen Bürger sich umeinander so sehr kümmern und Männer und Frauen über 40 Jahre ziehen ihre Uniform an, aus Missionsbewusstsein und nicht aus Verpflichtung.

    Während in der Ukraine ein Gesetz verabschiedet wurde, dass es Personen ab 17 Jahren verbietet, das Land während eines Krieges zu verlassen, kehren nur in Israel Bürger gezielt aus dem Ausland zurück, um rekrutiert zu werden. Ich glaube, die Liebe und Sorge zum Land ist hier etwas, das kein anderes Land hat. Also, ich rede nicht von den Bürgern. Es gibt die Bevölkerung und es gibt die Regierung.

    Die Regierung unternimmt nicht genug, um die Entführten zurückzubringen. Und ich denke, das sind nur Legenden, dass die Hamas kein Interesse an dem Deal hat. Nun ja, ich erwarte, dass

    der Staat alles tun wird, um sie zurückzuholen, und wenn ich ALLES sage, dann ist das ALLES.
    Es gibt dort Mädchen, die jeden Tag vergewaltigt werden, und tatsächlich haben einige von ihnen zu möglicherweise bereits Kinder zur Welt gebracht. Deshalb frage ich den Sicherheitsminister und seine Assistenten: Was würden Sie tun, wenn Ihre Tochter dort wäre? Von daher erwarte ich, dass Israel darauf achten wird, jede Bedrohung oder jedes Hindernis zu beseitigen, das dem Entführungsabkommen im Wege steht

    No und alle nach Hause zurückzubringen.
    Wahnsinnig ist es, dass wir, die Bürger des Landes, verpflichtet oder nicht, in die Armee eintreten und Staat lässt sie im Stich.

    Das darf nicht passieren, denn sonst verlieren wir das Vertrauen in das Land. Ja, die Stimmung ist hier im Moment nicht so gut. Mittlerweile wurden die Brüder und Schwestern einiger Gefangener und Ermordeter zur Armee rekrutiert. Wie die Schwester von Noa Marciano, die in Gaza ermordet wurde, oder die Schwester von Roni Eshel, die in Nahal-Oz ermordet wurde. Es ist herzzerreißend, es ist aufregend, und die Familien lassen ihre Töchter zur Armee gehen, ohne auch nur den Funken Vertrauen in das System zu haben.

    Vor ein paar Tagen kam es zu einer neuen politischen Affäre. Einer von Netanyahu’s Mitarbeiter hat vertrauliche Dokumente an Journalisten weitergegeben, die Netanyahus Interessen dienten und das Gefangenenabkommen vereiteln sollten. Dadurch wurde ein öffentlicher Konflikt über die Bedeutung der Philadelphi- Passage ausgelöst, ein Konflikt, der nicht echt war. Der Skandal ist, dass die Personen, die Netanjahu nahestehen, zu diesen Dokumenten auch ohne die entsprechende Geheimhaltungsstufe informiert wurden.

    Natürlich bringt der Propagandasender, Channel 14 in Vertreter der Koalition dazu zu behaupten, dass es „in der Vergangenheit

    auch ungeklärte Leak-Fälle gegeben hat“, und damit versuchen sie, den Skandal zu marginalisieren. Gleichzeitig informiert Netanjahu den Generalstaatsanwalt, dass er bereit sei, das „Redeverbot“ aufzuheben, ein weiterer Politischer Spin aus Netanyahu’sProduction, der keine wirkliche Bedeutung hat.
    Und trotzdem, ich finde, die politische Situation in Israel nicht besonders gut. Wo man hinschaut, die Extremisten erstarken, vor allem in den schwachen Schichten, die sich dadurch mächtig fühlen. Durch dieses Vorantreiben von Wahnsinn voller Hass und Fanatismus können sie andere Menschen für ihre Probleme beschuldigen, während die Politiker auf den Wellen des Mobs reiten, der alles verloren oder sich nie verwirklicht hat und nach einem Ort sucht, um die persönliche Frustration loszuwerden.

    In all diesem Wahnsinn fragt mich mein Sohn, kurz bevor er einschläft. „Mama, wenn ich ein Mädchen liebe, und ich will sie heiraten, aber sie liebt mich nicht? Was mache ich also, wie finde ich jemanden, der mich auch heiraten möchte? Mama, ich möchte, dass Du auch heiratest.“ Und schlief ein. Meine ganze Hoffnung in dieser Welt liegt in ihm. „Träum süß, mein Lieber.“

  • Yulis Tagebuch, Folge 62

    Anne Frank mit Kufiya

    Am späten Samstagmorgen ruft mich meine Schwester an und ihre Stimme klingt dramatisch: „Hast Du gehört?“, „Was meinst Du? Also, wahrscheinlich nicht. Was ist passiert?“, „Prima. Euch ist mein Leben einfach unwichtig.“ Ich war inmitten einer Ausarbeitung, musste jetzt meine Gedanken neu ordnen.

    „Komm schon, erzähl, was passiert ist.“, „Hast Du nicht gehört, daß eine Rakete ein Wohnhaus in Tira getroffen hat und 19 Menschen verletzt wurden?“, „Nein! Wirklich?! Ich habe davon nichts gehört. Wo genau ist Tira?“, „Was meinst Du, wo ist es? Von hier aus sind es nur fünf Minuten! Es liegt in der Nähe von Kfar Saba!“

    Tatsächlich ist Tira eine muslimisch-sunnitisch-arabische Stadt im Zentrum des Landes, aber ich wusste nicht genau, wo es liegt. „Das ganze Haus wurde mitten der Nacht von der Explosion erschüttert!“, „Oh, nein, davon haben wir nichts gehört, Gott sei Dank, daß Euch nichts passiert ist. Ich werde die Push- Nachrichten einschalten. Ich habe diese Nachricht wahrscheinlich verpasst.“

    An diesem Wochenende traf ein Schwarm UAVs in Richtung Israel ein, 40 Minuten nördlich von uns gab es fast eine Stunde lang Sirenen, Tote, Verletzte und Explosionen, ab sechs Uhr morgens ununterbrochen. Also, die Explosion in Tira geschah in der Nacht und wurde wahrscheinlich aufgrund der Ereignisse einige Stunden später schon aus den Nachrichten verdrängt. Es kommen derlei Informationen ständig aus allen Richtungen und es ist schwierig, jede Nachricht zu verfolgen.

    Meine Schwester ist Pianistin und Musiktherapeutin. Sie ist normalerweise ziemlich ruhig, aber das letzte Jahr hat es auch geschafft, sie aufzurütteln. Sie hat im Moment extrem viel Arbeit mit traumatisierten Kindern, brauchte eigentlich selbst eine Therapie. Die Lage ist nahezu unerträglich: Ein souveränes Land, das von Terroristen mit Langstreckenraketen bombardiert wird, Terror-Organisationen mit einem Waffenarsenal, das größer ist als das mehrerer europäischer Länder, seit fast 400 Tagen 101 Entführte in Gaza und deren Familien, die seither an jedem Tag für die Rückkehr ihrer Kinder protestierend auf die Straße gehen. Gleichzeitig befinden wir uns als Israelis ständig in einer Art Verteidigungsposition gegenüber dem Westen, der systematisch einseitig ist und sich fast ausschließlich damit beschäftigt, „wie schrecklich es ist, was den Zivilisten in Gaza und im Libanon widerfährt

    Also, wir möchten nur noch einmal erklären, daß wir diesen Krieg nicht begonnen haben. Tatsächlich schliefen wir am 7. Oktober um 6 Uhr morgens noch, als die Monster aus Gaza und aus dem Libanon mit der Unterstützung des Iran beschlossen, uns das Leben zur Hölle zu machen, uns finanziell zu zerstören und in einen verheerenden Abnutzungskrieg zu verwickeln. Und was sind die Konsequenzen?

    Anstieg des Antisemitismus in westlichen Ländern, der an Deutschland in den 1930er Jahren erinnert. Schauen Sie sich an, was in Irland passiert, wo die Regierung Güter von Juden oder Israelis aus Judäa und Samaria boykottiert und denen, die Waren von dort kaufen, mit fünf Jahren Gefängnis droht. Oder Norwegen, wo sich die Medien am 7. Oktober mit der Lage in Gaza beschäftigten was dagegen in Israel passiert, nur am Rand der Nachrichten erwähnt wurde.

    Akademiker und Wissenschaftler in allen Bereichen erhalten immer weniger Kooperationsangebote. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie links sind oder nicht – die bloße Tatsache, daß sie Israelis sind, reicht aus, um sie nicht einzuladen oder gar auszuladen.
    Der Bruder meines Freundes zum Beispiel ist Professor für Politikwissenschaft und Experte für Terrorismus an einem College in der Nähe von New York. Mein Freund erzählt mir: „Sie wollen ihn dort loswerden, wissen einfach nicht wie, also tun sie alles, um ihn aus eigenem Antrieb zum Kündigen zu bringen.“

    Seit dem 7. Oktober erhalten Israelis, wenn sie bei Amazon oder Ali Express bestellen, beschädigte, zerrissene Produkte oder Zettel in den Paketen mit „Free Palestine“. Es ist mir passiert, dass ich bei Amazon bestellt habe und nach ein paar Tagen eine Nachricht über die Stornierung einer Transaktion erhalten habe, eine Bestellung, die ich nicht storniert habe. Letztendlich musste ich das gleiche Produkt dreimal bestellen, bis ich es erhielt.

    Und wo ist das Baby seit mehr als einem Jahr? Wo ist seine Mutter? Wo ist der süße Junge mit den orangefarbenen Haaren, der in Gefangenschaft seinen fünften Geburtstag „gefeiert“ hat? Inzwischen sind die Geiseln immer noch in Gaza gefangen, der Iran plant den dritten Angriff (der dritte oder doch schon der vierte? – ich zähle nicht mehr) und droht nun mit einem noch tödlicheren Angriff.

    Ich warte und hoffe nur, dass es bald passiert, denn ich warte nicht gern.

    „Ein Wandgemälde von Anne Frank mit einem Kufiya in Bergen, Norwegen, gemalt vom anonymen Künstler Töddel, Juli 2024 (Fotokredit: Mit freundlicher Genehmigung von Töddel)“
    Es wurde auf „The Times of Israel“ veröffentlicht am 26.7.24. https://www.timesofisrael.com/graffiti-in-norway-of-anne-frank-wearing-a-keffiyeh-sparks-outrage/
  • Yulis Tagebuch, Folge 61

    Irgendwann, vielleicht morgen, alles ist wieder normal

    Dieses Wochenende lag ich größtenteils im Bett. Ich konnte die Realität nicht ertragen, wollte meine Augen schließen und in Träume versinken. Ich wollte mich einfach ausschalten, denn manchmal kann ich die Schwäche nicht ertragen.

    Dazu kommen periodisch auftretende unerträgliche Bauchschmerzen. Ich habe alle denkbaren Untersuchungen machen lassen, aber das Resultat war immer dasselbe: Ich habe nichts …
    Es ist ein Schmerz, der aus der Realität durch meine Gedanken in meinem Kopf produziert und vom Geist in den Körper weitergetragen wird. Der Schrei, der aus dem Mund nicht herauskommt, bahnt sich wie ein Messer seinen Weg durch starke Stiche in den Bauch. Ein Schmerz, der vielleicht in besserenZeiten verschwindet?

    Aber dieses Wochenende war hart für mich. Es war schwierig für mich, auch weil wir im letzten Monat mehrmals miteinander gesprochen haben. Er kam zurück und ging wieder weg, und es wiederholt sich die ganze Zeit. Ein bisschen wie ein kleines Kind, das immer wieder zu seiner Mutter zurückkommt, um ein Kuss von ihr zu bekommen, wenn es schmerzhaft ist. Ich hatte das Gefühl, er braucht es, die Liebe zu spüren, damit er wieder gehen konnte. Letztendlich haben wir über seine Taten gesprochen. Er meinte, er sei mir gegenüber unfair, und dass ich ihm das nicht erlauben sollte. Ich nickte zustimmend, aber es tat auch weh. Widerwillig und verletzt, dass er mich gebeten hatte, ihn aufzugeben, blockierte ich seine Nummer. Und so legte ich mich traurig im Bett mit Bauchschmerzen.

    Mir war klar, dass am „Simchat Tora“, jenem Tag, als vor einem Jahr alles begann, nicht ruhig vergehen würde. Und es hat mich auch gestresst. Außerdem – vergeßt es nicht, dass ich noch auf den Angriff auf den Iran wartete, und weil unser Angriff dann wieder eine Reaktion hervorruft, warte ich auch auf diese. Also, obwohl es gerade nichts passiert, warte ich, bis das zukünftige Ereigniss vorbei ist. Mit andere Worten könnte man so etwas psychischen Terror nennen. Am letzten Donnerstag war es dann allerdings relativ ruhig.

    Später kam die Nachricht, dass viele Soldaten im Kampf im Libanon und in Gaza gestorben sind. Ich hatte keine Lust mehr zu feiern, wollte halt wieder ins Bett, da ich ein wenig mit dem Laptop zu arbeiten versuchte.
    Am nächsten Tag, am Freitag, heulten die Sirenen gegen 20.30 Uhr. Mein Sohn hatte sich gerade zum Abendessen (ja, es war eigentlich viel zu spät dafür) hingesetzt. Wir gingen also zum Treppenhaus, als sieben Explosionen nacheinander zu hören waren, einige näher, einige offenbar weiter entfernt.
    Als wir das Haus zurück kamen, bemerkte ich, dass mein Sohn mit der Gabel in der Hand saß, sie hin und her schüttelte und nicht isst. „Bitte, es ist sowieso zu spät jetzt für Abendessen, also, nicht spielen jetzt, ja?“ –„Aber Mama, meine Hände zittern, ich kann die Gabel nicht halten.“
    Es war nicht das erste Mal, dass ich ihn verängstigt sah, aber erstmalig sah ich, wie das Trauma in seinen Körper absorbiert wurde; und ich hasste die ganze Welt. Ich umarmte ihn sanft: „Mein Lieber, ich hatte auch Angst, aber jetzt ist alles wieder gut. Wir wissen doch, was zu tun ist, falls es zu einem Alarm kommt, und Du machst es ganz großartig.“

    Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich im Bett in mir selbst versunken war und mich weigerte, mich der Realität zu stellen, und da es jemanden gab, der mich brauchte, um für ihn stark zu

    sein. Ich bin wütend auf mich geworden. Am nächsten Tag war er plötzlich von den Sirenen eines Polizeiautos erschrocken. Ehrlich gesagt, war ich es auch. Genaugenommen dröhnen sowieso ständig Sirenen in meinem Kopf.

    Gestern hat Israel den Iran angegriffen, heute war der erste Tag nach den jüdischen Feiertagen. Endlich wieder Alltag. Gegen11.00 Uhr überfuhr ein israelischer Araber mit seinem Lastwagen Zivilisten, die an einer Bushaltestelle warteten. Etwa 40 Menschen wurden verletzt. Die meisten der Verletzten sind Rentner.

    Kürzlich, am 7. Oktober, kehrten Mia und Itai Regev nach Re’im zurück, von wo sie nach Gaza entführt wurden. Heute ist nach Jüdischem Kalender der Gedenktag für die Opfer des letzten Krieges seit dem 7. Oktober.

    Also, ich möchte schreiben, aber mein Kopf explodiert vor lauter vielen Dingen, die in jedem Moment hier passieren, und ich möchte am liebsten untergehen, vergessen, mich von allem trennen. Aber wenn ich an die Hände denke, die versuchen, die Gabel zu ergreifen und dabei scheitern, fühle ich mich wieder stark genug, um gegen mich selbst anzukämpfen – egal, was uns widerfährt.

    Eine maßstabsgetreue Nachbildung des Anne-Frank-Anbaus wird in New York eingeweiht* Am 27. des Jahres, anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz, wurde in New York City eine Nachbildung der echten Besteigung von Anne Franks Hinterhaus eingeweiht. Die Ausstellung umfasst 125 Artefakte aus dem Anne-Frank-Haus-Museum, die die Geschichte von Annes Leben erzählen und ihre Widerstandskraft (Quelle Comunitaria PLUS)
  • Yulis Tagebuch, Folge 60

    Der Schlangenkopf

    Am Freitag wurde Yahya Sinwar getötet. Diese Nachricht erreichte uns erst am Samstag. Sie war zunächst zurückhaltend formuliert: „… dass die Armee die Möglichkeit prüft, dass er getötet wurde“, gefolgt von weiteren Meldungen über die aufkommenden Beweise bis zur offiziellen Meldung am Abend, dass er tot ist. 

    Von Anfang an ging ich davon aus, dass er getötet wurde, denn kein Militär-Sprecher veröffentlicht solche Meldung während eines Krieges, wenn man sich nicht hundertprozentig sicher ist. Die Öffentlichkeit hat nicht die nötige psychische Stärke und Nerven für Spekulationen über die Tötung desjenigen, der den 7. Oktober initiiert hat. Das ist nicht die passende Zeit für eine Art „Trailer“ von „Thriller-Serien”. Yahya Sinwar starb nicht bei einer großangelegten Operation, wie ich und viele andere dachten, dass es geschehen würde. 

    Letzendlich, die Geschichte Israels bei der Tötung von Terroristen weckt zweifellos Erwartungen, dass es sich um einen ausgeklügelten Einsatz von Spionen oder dem Shin-Bet handelte, die es schafften, ihn zu fangen. Mindestens hätte es eine Tötung aus der Luft nach einer erfolgreichen Verfolgung sein müssen. Wir waren überrascht zu erfahren, daß diejenigen, die ihn töteten, nicht wußten, daß es er war. Es waren junge Soldaten, die ihre Ausbildung noch nicht abgeschlossen hatten. Weder eine Kommandoeinheit, noch der Shin-Bet. Die Soldaten haben die Terroristen in dem Gebäude gesehen, aber keine Ahnung gehabt, wer sie waren. Eine Panzereinheit mit einer Drohne und Schulter-raketen brachte das Gebäude, in dem er sich aufhielt, zum Einsturz.

    Gut, daß er tot ist. Ohne diesen Menschen ist die Welt eine bessere geworden. Er war derjenige, der seine Männer schickte, um Männer, Frauen und Kinder zu vergewaltigen. Er war derjenige, der seine Männer geschickt hat, um ganze Familien in ihren Häusern zu ermorden und sie vor den Augen anderer zu foltern, Babys, Kinder, Frauen und alte Menschen lebendig zu verbrennen – ich hoffe, er hat letzte Woche die Tore der Hölle betreten.

    Es hat mich jedoch enttäuscht, daß dieser Mann gestorben ist, als wäre er nur ein irgendein Terrorist. Einerseits ist es klar, daß es keinen Bedarf oder Wunsch gibt, einen Mythos um seinen Tod zu erschaffen. Andererseits, ich finde es unglaublich, daß dieser Mensch auf dem Bild, der tot in den Ruinen wie nichts liegt, derjenige ist, der uns ein Jahr lang das Leben so miserabel  machte und über Generationen hinweg ein nationales Trauma mit der größten Zahl an Opfern und Todesfällen in der Geschichte des Staates Israel verursachte, alles das macht mich auch wütend und traurig.

    Das Filmmaterial von Sinwars Tod wurde von der BBC analysiert und das Haus, in dem er zuletzt gesehen wurde, war eines der wenigen teilweise zerstörten Gebäude in. einem Viertel mit erheblichen Schäden.(Quelle BBC news, World of secrets)

    Worüber haben wir eine Minute später gesprochen, fragen Sie? Über die Entführten, über das Ende des Krieges, darüber, was nach Sinwars Tod in Gaza passieren wird. Wird es für ihn einen Ersatz geben, wie für jede Terrororganisation (Hisbollah, al-Qaida, ISIS usw.)? Könnte Sinwars Bruder, Muhammad Sinwar, der Gilad Shalit in der Gefangenschaft gehalten hat und Kommandeur der Militärbataillone der Hamas ist, Yahya Sinwar ersetzen? 

    Wird Khalad Mashal, der sich in Katar aufhält, nun Vorsitzender des Politbüros der Hamas? Wird die Hamas wieder auferstehen, so, als wäre nichts geschehen? Was muss jetzt getan werden, um unsere Interessen zu fördern? Der Rückkehr der Entführten, der Rückzug aus Gaza, Sicherheit an den Grenzen, die Rückkehr der Bewohner nach Hause in die Kibbuzim. Kann es in Gaza jetzt eine politische oder militärische Lösung geben?

    Seit dem 7. Oktober stehen die Kibbuzim im Süden menschenleer. Die lebendigen Gemeinschaften, die dort vor dem 7. Oktober zu Hause waren, existieren nicht mehr. Die Überlebenden gingen  und kommen nicht zurück. Die verbrannten Häuser und Flächen, das Gefühl eines Friedhofs überall, lassen keine Erholung zu, insbesondere, weil noch immer Raketen aus Gaza abgefeuert werden.

    Außerdem ist die permanente Bedrohung aus der Luft einfach nicht zu ertragen. Es ist schwer, sie aufzuspüren und abzufangen. Heute hat eine Drohne das Haus von Ministerpräsident Netanyahu getroffen. Vor ein paar Tagen wurden vier Soldaten getötet, sieben schwer und weitere 60 Soldaten leicht verletzt, als eine solche Drohne in einer Militärbasis im Zentrum des Landes explodierte. 

    Alles das geschieht nur 25 Minuten (Luftlinie) von uns entfernt. Und irgendwann soll auch Israel den Iran angreifen. Bald, vielleicht morgen. Vielleicht übermorgen. Manchmal habe ich beim Tippen eine Schwäche in meinen Fingern und ich bin nur noch müde. Genaugenommen bin ich ständig müde. Ich habe seit meiner Highschool-Zeit nicht mehr so viel geschlafen wie jetzt.

  • Yulis Tagebuch, Folge 59

    Jom Kippur (Teil 2)

    Die erste Explosion war überraschend, aber es war noch unklar, ob „es das war“, denn die Sirenen waren still geblieben. Es hatte sich einfach nach einer entfernten Explosion angehört. Mein Sohn stand ein paar Meter von mir entfernt, und ich hatte mich noch nicht entschieden, ob ich ihm den Spaß verderben und ihn in diesem Moment nach Hause bringen sollte. 

    Ihr müsst verstehen, dass wir in jeder Woche mehrfach Explosionen hören, auch wenn es zuvor keinen Alarm gibt,  so  daß es für uns seit dem 7. Oktober nicht ungewöhnlich war. Dennoch, inmitten so vieler Menschen zu sein und die Sorge, dass jetzt alle sofort loslaufen würden, sobald der Alarm losgeht … Ich stand also auf, nahm das Fahrrad und ging in seine Richtung.

    Bevor ich etwas sagen konnte, ertönte die zweite Explosion. Ich gab ihm das Fahrrad, wir verabschiedeten uns von dem Freund und seinen Eltern (ich wollte nicht hysterisch reagieren) und sagte ihm: „Jetzt fährst Du mit dem Rad nach Hause.“ Die dritte Explosion ereignete sich in dem Moment, als er sich auf sein Fahrrad setzte. Jetzt zerstreuten sich alle schnell, auch wir beeilten uns. Es waren nur wenige Minuten zwischen den Explosionen, und es ist sehr schwierig, zu erkennen, woher sie kamen. Aus dem Norden oder dem Süden?

    Raketenexplosionen über dem Meer kann man sehen, aber die Explosionen der ballistischen Raketen erfolgen in großer Höhe und sind normalerweise weniger sichtbar. 

    In 140 Ortschaften im Norden Israels schallen die Alarmglocken. (Quelle Communities plus)

    Insgesamt wurden am Freitag und Samstag von Jom Kipur 440 Raketen aus Libanon nach Israel abgefeuert. Das schöne Galiläa im Norden des Landes wurde von morgens bis abends bombardiert, auch Haifa, die Gegend, wo unsere Verwandten wohnen, wo wir im August Annabel zum Geburtstag besucht hatten. Aus Gaza wurden ebenfalls am Jom Kippur Raketen abgefeuert, die Ashkelon treffen sollten. Und Drohnen, die sehr schwer abzufangen sind, schaffen es, in Häuser, Militärbasen usw. einzudringen und dort zu explodieren. Eine Million Menschen, ob sie fasten oder nicht, fanden sich am Jom Kippur im Schutzraum wieder. 

    Ich schalte am Jom Kippur nie das Telefon an. Für 25 Stunden bin ich von allen elektrischen Geräten separiert. Manchmal passiert es am Jom Kippur doch, dass ich das Licht aus Gewohnheit ein- oder ausschalte. Ich lasse das Licht an ein paar Stellen an, damit es nicht zu dunkel in der Wohnung wird, und stehe dann vor dem Dilemma, ob ich es wieder gänzlich einschalte oder einfach ausgeschaltet lassen soll. 

    Diesmal konnte ich dem  Stress und der Sorge nicht widerstehen. Zuhause angekommen, tippte ich auf den Bildschirm des iPhones, um zu sehen, was passiert war und wie es sein konnte, dass es solche Explosionen gab und zuvor keinen Alarm. Dann sah ich, dass die Raketen aus dem Libanon ein Altenheim in Herzliya und die Stromversorgung der Stadt getroffen hatten. Herzliya ist etwa 10 bis 15 km von hier entfernt, daher gab es keinen Alarm, aber die Raketen flogen über unseren Köpfen, auch die, die abgefangen wurden.

    Am Jom Kippur können wir wenigstens ohne Ablenkungen über alles reden. Hauptsache, wir sind zusammen. Und falls ich mein Kind schnell aufheben und mit ihm ins Treppenhaus oder nach unten laufen müsste, finde ich es eine gute Idee, dass es in meinem Bett schläft.

    Der nächste Tag ist immer viel schwieriger. Ich bereite meinem Sohn Frühstück und gehe zurück ins Bett. Nichts wartet auf mich außer der Zeitung von gestern. Zeitschriften, die ich für Jom Kippur gekauft habe, die voller Rezepte für das bevorstehende Sukkot-Fest sind und mich das Hungergefühl viel mehr spüren lassen. Noch bevor ich etwas sagte, sah ich ihn schon mit dem iPad, wie er seine Lieblingssendungen schaute. Ich sagte ihm, dass es Jom Kippur ist, man dürfe am Jom Kippur nicht fernsehen oder sich mit dem iPad beschäftigen etc. 

    Jedoch, etwas in meiner schwachen und müden Stimme überzeugte ihn nicht, er schaute weiter sein iPad an und ich kehrte mit den Zeitschriften ins Bett zurück. Irgendwann schlief ich ein und als ich aufwachte, war es kurz vor 12.00 Uhr. Ich wusste, daß er noch bei dem iPad war. Ich stand auf mit einem riesigen Kopfschmerz: „Nachmittags gehen wir zur Synagoge. Hörst Du  mir zu? Fahr mit dem Fahrrad zur Synagoge. Wir gehen, um das Ne’ilah-Gebet und den Schofar-Hornstoß zu hören. Gibt mir das iPad, bitte, und komm in die Küche, ich mach Dir was zu essen.“

    Irgendwie verging die Zeit ziemlich schnell. Nach dem Mittagessen und den Nachmittagssnacks gingen wir, es war etwa 17.00 Uhr , zur Synagoge. Ich fühlte mich ziemlich gut, verspürte keine Schwäche, auch nicht nach einem halbstündigen Spaziergang. Ich versuchte, möglichst schnell zu gehen, denn ich befürchtete, dass wir auf dem Weg von Alarmsirenen überrascht werden könnten, aber jetzt verstärkte jeder Schritt meinen Kopfschmerz. In der Synagoge betete ich, daß alles gut wird, daß ein Wunder geschieht, daß das Licht kommt, für uns und die ganze Welt. Denn das Leid ist eine Kugel, die immer weiter rollt und mit der Zeit allen Richtungen wächst. 

    Der Schofar heult am Ende des Ne’ilah-Gebets, und der Himmel schloß sich. Noch bevor wir nach Hause zurückkehrten, war die Straße bereits voller Autos, als wäre nichts geschehen. Nach dem Kaffee hatte ich keine Lust mehr zu essen, außer ein paar Keksen, und so saß ich bis ein Uhr nachts am Computer und arbeitete.