Kategorie: Deutsch

  • Yulis Tagebuch, Haifa (12)

    Prominente

    Jeden Tag landen volle Maschinen mit Israelis, die verreist waren oder im Ausland leben auf dem Ben-Gurion-Flughafen. Sie kommen u.a. aus Japan, Deutschland, Südamerika und den Vereinigten Staaten zurück. Alle haben den Willen in diesen schwierigen Zeiten bei ihrer Familie zu sein und das Zuhause zu schützen. Sie wollen das hektische Land retten, obwohl sie aus diesem Grunde von hier weggegangen sind.

    Es stimmt jedoch, dass im Gegensatz zu ihnen, viele Israelis, auch Freunde von mir, am 8. Oktober von hier weggeflogen sind. Aber, ich sage es euch, sie erkannten einige Wochen später, dass als Flüchtlinge zu leben, und vor der Politik des Nahen-Ostens und dem Antisemitismus wegzurennen, halt unmöglich ist.

    Ich nehme aus dem Kühlschrank einige Dinge zum Abendessen heraus. Beim Waschen des Gemüses beginne ich ein Taubheitsgefühl in meinen Händen zu spüren und für Sekunden ist mir schwindlig. Ich rufe meiner Mutter aus der Küche zu: „Gibt es Wein im Haus?“

    Die Hysterie und das Weinen wird eventuell gleich beginnen, und weil ich Clonex nicht dabeihabe, muss ich etwas trinken. Die ganze Woche drückt es mir den Magen in die Kehle, diesen Zustand kann ich nicht wirklich ertragen. Die Bilder von den vergewaltigten Mädchen, der Krieg, die unendliche Liste von Toten, dem verlorenen Alltag, die unverwirklichte Liebe, nicht in meinem Zuhause zu sein, mein Leben mit meinem Sohn ohne große Ansprüche, erscheint wie eine Fantasie. Ich setze mich für einen Moment hin, spiele Musik auf mein Handy und trinke in drei großen Schlucken ein halbes Glas Wein. Dabei verbrennt schon die Butter in der Pfanne, aber es ist mir egal.

    Der erste Shabbat seit dem 7. Oktober rückt näher. Und obwohl die Tage vergehen, dieses Datum bleibt für immer der

    Siebente Oktober

    Wir sind immer noch auf der Suche nach Menschen und dabei, Leichen zu identifizieren.

    Mittlerweile hat Saudi-Arabien den Friedensprozess mit Israel eingefroren. Netanyahus‘ Kriegskabinett trat endlich nach einer Horror-Woche zusammen, die Hamas feuert Raketen aus dem Süden diesmal bis Haifa ab und ein jüdischer Siedler hat einen Palästinenser heute erschossen.

    Vielleicht spürt ihr es auch, dass ich wahrscheinlich nicht die Einzige bin, die bis jetzt verrückt geworden ist.

    Was ich erstaunlich finde, sind Äußerungen von Prominenten weltweit. Obgleich viele von denen weder in Israel oder im Nahen-Osten waren oder Krieg erlebten, äußern sie sich entscheidend über den Zustand. Natürlich freue ich mich sehr, dass Sportler wie Tom Brady ihre uneingeschränkte Unterstützung für Israel zum Ausdruck bringen, oder der NBA-Champion und ehemalige spanische Star Pau Gasol sich auf seinem Twitter-Account gegen die Hamas ausspricht. Auch was mich besonders mit Optimismus erfüllt, sind Bekundungen wie von „Bnei Sakhnin“ und „Bnei Rayna“, die besten Fußballmannschaften im arabischen Sektor in Israel, die eine gemeinsame schmerzhafte Erklärung für den 7. Oktober veröffentlichen. Jedoch, solche Verlautbarungen sind immer noch in der Minderheit.

    Da gibt es andererseits ganz viele Prominente, die das Massaker nicht direkt unterstützen, aber sie behaupten, die Tat der Hamas sei Widerstand gewesen, u.a. Selena Gomez, Hailey Bieber, Kanye West, Bella Hadid u.a.

    Klar ist mir, dass sie keine Ahnung haben. Aber selbst Menschen, die nie die USA besuchten, und sahen, wie die Maschinen im Jahr 2001 in das WorldTradeCenter eingeschlagen haben, hielten es nicht für einen legitimen Akt des Widerstands gegen die amerikanische Besatzung in Afghanistan.

    Jeder vernünftige Mensch mit ein wenig Vernunft sollte einen Terror erkennen, wenn er/sie ihn sieht.

    Ich bekomme eine WhatsApp Nachricht von der Kindergärtnerin und schalte kurz die Musik aus: Sie hat den Eltern informative Videos für die Kinder gesendet, mit denen wir die gegenwärtige Situation erklären können, und dabei ein Cartoons-Video mit Charakteren, die Kinder mögen.

    Ich schaue mir die Videos an, und finde sie eigentlich gut. Sie werden meinen Sohn ermutigen hoffentlich mehr über seine Gefühle zu reden. Aber ich warte bis morgen damit. Ich weiß nicht warum. Ein Gefühl halt. Ich bekomme noch eine Nachricht. Natalie hat mir eine Nachricht weitergeleitet, dies Mal von der Kultur- und Sportgemeinde. Familien der Evakuierten haben alles verloren und viele sind in Panik weggerannt. Die Gemeinde bittet die Bewohner der Stadt um Hilfe. Sie brauchen eigentlich alles. Ich werde mir am Samstag oder nächste Woche Zeit dafür nehmen. Heute ist es einfach zu viel . Die Flasche ist leer und es gibt noch kein Abendessen auf dem Tisch.

  • Yulis Tagebuch, Haifa (11)

    Dieser Text erschien am 19.02.2024 zuerst in der deutschen Version und wird jetzt mit Hilfe von Google und spanischem Lektorat auf spanisch zur Verfügung stehen.

    “Don’t!” 

    Wir gingen zurück zu meinen Eltern und sie überredeten mich, eine Nacht länger zu bleiben und erst morgen zurückzufahren. Sie brauchten aber nicht viel, um mich zu überzeugen. Im Süden hörte der Raketenbeschuß nicht auf, und die Bewohner wurden ins Landesinnere evakuiert, ganz viele sind hier angekommen. Im Norden sind die Bewohner nur auf ihre Häuser beschränkt, und die öffentliche Befürchtung war, dass im Norden genauso ein Angriff wie im Süden passieren könnte. Wenn Hamas-Terroristen aus dem Gazastreifen auf Motorrädern bis nach Aschkelon, etwa eine Stunde von Tel Aviv, kamen, dann können die Hisbollah und ihr Hamas-Partner auch Haifa erreichen. 

    Inzwischen, nennt die Abendmoderatorin Namen der Ermordeten. Im Kibbuz Be’eri wurden heute noch 100 Leichen gefunden. Die Identifizierung dieser Opfer kann aber Wochen oder sogar Monate dauern. Es gab diejenigen wo man dachte, sie seien entführt worden und später wurden ihre sterblichen Überreste zu Hause oder auf dem Feld entdeckt. Und es gab diejenigen von denen man dachte, sie seien gestorben, und später stellte sich heraus, dass sie oder ihre Leiche von Hamas entführt worden waren. Vier Monate später endet die Liste des Tötens noch nicht. 

    Am Abend hielt Biden seine Rede. Die Worte haben mich sehr berührt und zum ersten Mal seit dem 7. Oktober bin ich unter der Decke weinend zusammengebrochen. Ich wollte so sehr an einem sicheren Ort sein, und wenn es möglich wäre, neben Biden. Denn als er sprach, brachte er diese wahnsinnige Situation in eine Ordnung. Er war angeekelt und empört von den Massakern und von seinem Gesichtsausdruck allein konnte man sein Entsetzen über das Grauen spüren. Danke, Biden! Der Staat Israel dankt Ihnen! Dieses Land hat es verdient, eine gute Führung zu haben. Während der israelische Premierminister seit dem 7. Oktober wie gelähmt und verschwunden ist, hat Biden uns in einer Art gerettet, psychisch meine ich.

    Die Hisbollah, Irans Proxy, verfügt über 100.000 Langstreckenraketen, die von Norden die Sinai–Halbinsel erreichen können. Sie verfügen über Treffergenauigkeit und nachrichtendienstliche Fähigkeiten und ganz vielen Kämpfern, die nur darauf warten, Zivilisten zu töten. Deshalb fange ich zu diesem Zeitpunkt an zu denken, mit meinem Sohn zu fliehen. Meine Eltern fliehen nie, egal was passiert. Seit 1948 haben sie mit die gesamten Konflikte durchgemacht und nichts kann sie zum Einpacken bringen.

    Und trotzdem, ich habe ihnen aufgeregt gesagt, “diesmal ist es anders. Denn selbst am Yom-Kippur-Krieg, als Israel fast erobert wurde, kämpften die Soldaten außerhalb der Grenzen des Landes, nicht innerhalb der Städte, nicht in den Häusern. Babys wurden nicht ermordet, Kinder nicht entführt.” Das Trauma von Yom Kippur hat genau in dieser Woche seinen 50jährigen Gedenktag, und wenn irgendetwas diesen Krieg in der Erinnerung marginalisieren kann, ist es der 7. Oktober 2023. Aber niemand kann meine Eltern überreden, das Land zu verlassen. 

    Am nächsten Tag wachte ich auf und dachte mir, dass wir trotzdem nach Hause fahren. Wenige Stunden später erkannte ich, dass die Dinge eskalieren. Nun wurden ebenso die Einwohner in Haifa gebeten, in ihren Häusern zu bleiben. Es gab Besorgnis über das Eindringen von Drohnen und anderen Flugzeugen, die vom Libanon aus in israelisches Territorium eindrangen, zusätzlich zum Verdacht von terroristischer Infiltration aus dem Libanon. Gleichzeitig hallten die Sirenen weiter in verschiedenen Teilen des kleinen, verwundeten Landes, das ständig mit Raketen bombardiert wird. Mir wurde es langsam klar, dass ich nicht zurückkehren kann und solange die Schulen geschlossen sind, bleiben wir hier. 

    Im Laufe der Tage wurde es immer eindeutiger, dass der Terror vom 7. Oktober alle traf. 

    Bei den Ereignissen vom 7. Oktober wurden Zivilisten aus mehr als 30 Ländern entführt oder ermordet. Aus Ländern wie Tansania, Russland, Rumänien, Portugal, Peru, Serbien, Kolumbien, Österreich, Äthiopien, Argentinien, den Philippinen, Georgien, Sri Lanka, Frankreich, Mexiko, Dänemark, Ungarn, Italien, Thailand, Kanada, Niederlande, Polen, USA, Frankreich, Deutschland und mehr. Aus unterschiedlichen Religionen Drusen, Muslime, Christen, Buddhisten und Juden. Der Terror vom 7. Oktober sah jeden, der mit Juden in Frieden lebte, jeden, der nicht gegen uns kämpft, jeden, der nicht Teil des radikalen Islam war, als einen Ketzer, und von daher sollte er oder sie gnadenlos getötet werden. Dies ist kein Krieg der Hamas gegen die Juden. Das ist kein Terrorismus gegen die Zionisten. Es ist ein Verbrechen gegen den Wunsch der Menschheit, in Frieden, in Freundschaft und Brüderlichkeit aller Religionen, Farben, Geschlechter und Neigungen, in der Welt zusammenzuleben. 

    Nurit Galron: Yaldut Nishkachat (A forgotten childhood) 

     l

  • Es ist Nacht…

    Bert Brecht – gesprochen von Patrick Becker

    …und wieder werden junge Frauen Waisen gebären, und wieder haben Millionen Kinder in der Welt keine Väter!!!

  • Yulis Tagebuch, Haifa (9)

    Supermarkt

    Dank Deutschland fühle ich mich heute weniger allein. Die Fahne Israels am Brandenburger Tor hat mich nie so angerührt wie in diesen Tagen. In der Zwischenzeit steigern sich auch die Spannungen an der nördlichen Grenze mit Libanon. 

    Aber hey, man hat die Wahl optimistisch zu sein, oder? Mit starkem Willen halte ich an der Entscheidung fest, heute nachmittag nach Haifa zurückzukehren. Vorher muss ich aber Lebensmittel einkaufen, um die Küchenschränke zu Hause mit allem möglichen zu füllen. Ich nehme wahr, dass der Krieg noch ein paar Wochen dauern wird, und dass empfohlen ist, von den notwendigsten Lebensmitteln in solchen Krisen einen Vorrat zu haben.

    Also, ich ging zum Supermarkt und ließ meinen Sohn bei seiner Großmutter, die ihn, wenn die beiden allein sind, so gerne mit Süßigkeiten und Kuchen verwöhnt. Der Weg zum Supermarkt war aber seltsam und unangenehm. Auf den Straßen waren nur wenige Menschen, und ich hatte das Gefühl, dass meine Anwesenheit sehr auffällig war. Ich versuchte leise zu laufen, ganz still auf den Bürgersteig zu treten, damit keiner mich hört. Ich wollte unsichtbar für die Menschen werden, obwohl kaum jemand um mich herum war. 

    Ich sah dann doch jemanden in der Ferne, da bin ich mir ziemlich sicher. Ich spürte Hitze an meinem Rücken aufsteigen, aber als ich mich umdrehte, war keiner hinter mir. Wahrscheinlich war es wieder die Welle der Angst, die ich den letzten Tage so oft durch alle Körperteile spürte und die mich wie ein Hochwasser zu ertränken versucht.

    Als wir uns näherten, jeder auf einer anderen Seite des Bürgersteigs, hatte ich das Gefühl, dass mir Köpfe zugewandt wurden. Sehe ich verdächtig aus? Sie haben mich so komisch angeschaut. Und vielleicht sehe ich gar nicht den Mann im Auto der darauf wartet, dass jemand von uns die Straße überquert, um ihn von hinten anzugreifen oder einfach zu überfahren. 

    Ich beschließe, einen Umweg zu machen und anstatt vom Parkplatz des Supermarkts hineinzugehen, laufe ich durch den Park. Zumindest kann man dort nicht überfahren werden. Keine Sorge, das sind vernünftige Gedanken für jemanden, der in Israel lebt. Jetzt aber vertraue ich niemandem, nicht einmal dem 70jährigen Straßenreiniger. 

    Der Weg zum Supermarkt fühlte sich wie die Ewigkeit an. Erst als ich ihn betrete, kann ich wieder normal atmen. Ich habe tief eingeatmet, holte die Einkaufsliste aus meiner Tasche. Wer kann sich heutzutage noch an irgendetwas erinnern? 

    Überraschenderweise oder auch nicht ist die Liste zu lang, und ich weiß es nicht, wie ich alles zurücktragen kann und dabei auch noch schnell genug laufe. „Verdammt, warum habe ich nicht schon früher daran gedacht und den Einkaufswagen genommen?“ Ich beschließe, auf die meisten Konserven gerade zu verzichten, und diese von der Speisekammer meiner Eltern, die normalerweise super voll ist, zu ergänzen, und mich auf die Dinge zu konzentrieren, die ich unbedingt brauche.

    Fünf schwere Säcke voller Grundnahrungsmittel und etwas Gemüse schneiden mir beide Hände auf, aber ich versuche trotzdem, auf dem Rückweg das schnelle Tempo zu halten.

    Erst als ich nach Hause war, hatte ich das Gefühl, dass ich vor Schmerzen meine Fingers nicht öffnen könnte. Ich stellte die Taschen neben unsere Rucksäcke ins Zimmer. Um ehrlich zu sein, ich habe jetzt auf nichts Lust. Ich habe keinen Appetit. Ich möchte nicht raus gehen, und ich möchte auch nicht zu Hause bleiben. Ich will einfach unter der Decke liegen, so dass keiner mich findet. „Mama, mir ist langweilig!“ Scheiße – wann werden wir gehen? Wie spät ist es überhaupt? Erst 12 Uhr. Ich atme durch und beschließe, dass wir zunächst Freunde besuchen, die direkt neben uns wohnen. Vielleicht freuen sie sich ja über die Gesellschaft. Es tut mir bestimmt auch gut, ein wenig Normalität zu spüren. Damit ich nicht vor Angst verrückt werde. Zum Glück waren sie tatsächlich sehr froh über den Besuch und für ein halbe Stunde fühlte ich mich glücklich.

  • Nathan der Weise

    Gotthold Ephraim Lessings (1779) philosophisches Drama über die drei großen abrahamitischen Weltreligionen ist heute aktueller denn je!

  • Yulis Tagebuch, Haifa (6)

    Entscheidungstreffen

    Aktuelle Berichte klären eine bange Frage – die heftige Explosion, von der ich berichtete, war von einer Rakete ausgelöst worden.
    WhatsApp-Gruppen von Verwandten und Freunden tauschten hierzu in Windeseile unterschiedliche Nachrichten aus. Die einen meinten, sie sei über dem Meer explodiert, andere sagen, fünf Kilometer von uns entfernt hätte sie eine Detonation verursacht.
    So oder so, es ist eigentlich unmöglich, in ständiger Erwartung solcher Explosionen über unseren Köpfen zu leben. Um noch präziser zu sein, mir ist der Gedanke von Explosionen über dem Kopf meines Kindes untragbar. Ich beschliesse, morgen nach Haifa zurückzukehren.

    Ich verstehe immer weniger, wie die Menschen in den Kibbuzim oder in den südlichen Städten Israels über 15 Jahre, jeden Tag, jede Woche, jeden Monat mit solchen Bedrohungen gelebt haben. Denn man hat lediglich etwa sieben Sekunden Zeit, wenn solche Explosion die Luft zerreißt. Wenn man ernsthaft
    darüber nachdenkt ist das eher eine Warnung, nämlich die, dass man im Ernstfall kaum jemanden retten kann. Zudem fallen Schüsse auch in der Nacht, wenn Babys und Kleinkinder schlafen und das macht die Suche nach einem Unterschlupf noch weitaus prekärer.

    Welches Land hatte Verständnis dafür, dass man hier mit einer solchen Bedrohung lebte? Kein Land, mit der Ausnahme Israels natürlich. Das einzige Land, das von westlichen und arabischen Staaten ständig diffamieren wird, während diese Länder – bewusst oder unbewusst – jene gefährliche Politik
    unterstützen, seien es die iranischen Ayatollahs und Terrororganisationen, die von Katarischem Geld leben. 2014 hat die Europäische Union die HAMAS von der Liste der Terrororganisation gestrichen, siehe taz.de.

    Politische Ambitionen und internationale Wirtschaftsinteressen bestimmten, was in den Medien im Laufe der Jahre immer deutlicher artikuliert worden ist: Gaza ist das Opfer und Israel der Angreifer. Die alltäglichen Nachrichten oder gar längere Reportagen außerhalb Israels beschäftigen sich deshalb nicht mit den psychischen Problemen, die etwa die Kinder im Süden Israels quälen. Sie beschäftigen sich nicht damit, wie zum Beispiel Familien in Israel unter täglichem Raketenbeschuss und Explosionen leben. Solche existenziellen Probleme, die ein
    Leben im Schatten dieser Ängste aufwerfen kommen in den Nachrichten in Europa oder in Amerika nicht vor. Es sei denn, dass Israel angreift. Dann lautet die Schlagzeile überall, wie eine Pandemie: „Israel greift Gaza an“.

    Im Verlaufe eines Jahrzehnte währenden Konflikts, nach zwanzig Jahren Raketenbeschuss aus Gaza, hatten, so merkwürdig das klingt, die Israelis eine Art Gleichgültigkeit gegenüber dieser medialen Schieflage entwickelt und sich tatsächlich so an sie gewöhnt, dass die Regierung sich lange nicht genötigt sah, ein Informationsministerium einzurichten. Nun ist es inzwischen so, dass eine neue Generation – basierend auf dem, was auf Tiktok läuft und gestützt auf einseitige Medienreportagen – auf den Straßen für die Zerstörung Israels demonstriert.

    Dagegen hatten die Israelis lange keinen guten Plan. Ich erinnere mich an dieses Alter; es gab die Gans N Roses Fans oder die Metallica Fans, jeder in seiner Gruppe. In diesen Zeiten scheint es sehr modern zu sein, Israels Gegner zu werden, und zu dieser Gruppe gehören die meisten jungen Menschen.
    Andere Gruppen sind zu klein, zu alt, haben keine gute PR und Parolen. Ich werde bald in Haifa sein, dann werden wir auf diese Demonstrationen noch zurückkommen.

    Erst am 19. Januar 2024 – und „Halleluja“ muss man hier sagen – wird ein Beschluss des Rates zur Einführung restriktiver Maßnahmen gegen diejenigen, die gewalttätige Aktionen der HAMAS und des Palästinensischen Islamischen Dschihadunterstützt, erleichtern oder ermöglichen – siehe dazu eur-
    lex.europa.eu

    In der Tat ist die HAMAS entsprechend dieser Definition vor allem eine Guerillaorganisation. Wie die Hisbollah, unterstütz von der lokalen Bevölkerung, richtet sich die Organisation mit politischen, militärischen und finanziellen Institutionen ein. Aber wie eine Terrororganisation HAMAS richtet seine Waffen nicht nur auf militärische, sondern auch auf zivile Ziele.

    Ich muss jetzt Wäsche waschen, damit bis morgen alles getrocknet ist. Ich bin mit mir im inneren Einvernehmen, dass wir nach Haifa zurückkehren. Zumindest ist das mein Plan an diesem Morgen. Obgleich mir nach und nach dämmert, dass auch dort wohl nichts mehr so sein wird, wie es früher war.

    Inmitten des andauernden Krieges zwischen Israel und Hamas finden Freiwillige im Kibbuz Alumim einen Sinn im Melken von Kühen – und retten möglicherweise das Leben der traumatisierten Tiere. An diesem Ort, der von einer Tragödie gezeichnet ist, erleben wir Widerstandskraft, menschliche Verbundenheit und gemeinsame Verantwortung im Angesicht des Unglücks.
  • „S’Brent“

    Text und Melodie von Mordechai Gebirtig – ermordet 1942 im Krakauer Ghetto von deutschen Nationalsozialisten

  • Spenden

    Nadavs Familie

    Am Morgen des 7. Oktobers wurde der Kibbuz Kfar Azza von Terroristen der Hamas angegriffen. Das Haus, in dem Jessica und Nadav mit ihren Kindern Roni und Dean lebten, wurde durchsucht und zerstört. Nadav, der zur Notfalleinheit des Kibbuz gehörte, wurde ermordet. Jessica und ihre Kinder haben nichts mehr. Jede Spende kommt direkt ihnen und ihrer Zukunft zu Gute.

    Returno 360 Ranch

    Returno 360 Ranch widmet sich der psychotherapeutischen Betreuung von Traumaopfern und Kriegsüberlebenden jeden Alters, auch Kindern. Dabei spielen Pferde eine wichtige Rolle in der Traumatherapie. 

    „Nach dem schrecklichen Massaker der Hamas am 7. Oktober waren wir gezwungen, unsere Aktivitäten einzustellen, weil wir keinen sicheren Schutzraum vor Angriffen haben. So bekommen Patienten, die an einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden, nicht mehr die Unterstützung, die sie so dringend brauchen. Wir bekommen keine Unterstützung vom israelischen Staat, deshalb bitten wir Sie um Hilfe, damit wir unsere Arbeit fortsetzen können.“

  • HIOB von Joseph Roth (1930)

    „Mit dieser ‚chassidischen Parabel‘ (E. Steinmann) vollzieht sich Joseph Roths Wandlung vom gesellschaftspolitisch engagierten Reportagenautor der Neuen Sachlichkeit zum poesievoll konservativen Mythendichter. Roth greift für seine ‚wesensergründende Darstellung ostjüdischer Existenz‘ (S. Rosenfeld) auf die Elemente traditionellen Erzählens zurück […]
    Roth versucht, die Frage nach dem Sinn des Leidens im Geist der Bibel zu beantworten; doch ist es die Antwort eines Skeptikers, dessen Leben Heimsuchung war, der die erlösende Gnade inbrünstig herbeisehnte, aber nicht an sie glauben konnte.“

    (Aus Kindlers Neues Literaturlexikon)

    „…wie Victor A. Frankl, der das Konzentrationslager überlebt hat: Man sagt trotzdem JA zum Leben.

    So wie es der große biblische Dulder HIOB tut, ein eigentlicher Versöhnungskünstler. Hiob erleidet immer noch einen Schicksalsschlag, ohne daß er das Vertrauen in Gott verliert. Zur Belohnung schenkt Gott ihm ein langes, glückliches Leben. In Joseph Roths gleichnamigen Roman heißt der moderne Hiob Mendel Singer. Der jüdische Bibellehrer aus Ostgalizien verliert seine ganze Familie, einzig der behinderte Sohn Menuchim bleibt ihm. Mendel hadert, doch dann trifft ein, was ein Wunderrabbi bei der Geburt des “schwachsinnigen“ Menuchim vorausgesagt hat: „Der Schmerz wird ihn weise machen, die Hässlichkeit gütig, die Bitternis milde und die Krankheit stark.“

    Die wundersame Resilienz seines Sohnes, der ein brillanter Komponist und Dirigent geworden ist, versöhnt Mendel mit seinem Schicksal…“

    Aus: Neue Zürcher Zeitung, 23.12.2023, Zumutung der Versöhnung, von Birgit Schmid

  • Wer, wenn nicht wir? Wann, wenn nicht jetzt?

    gegen die Gleichgültigkeit…


    In den Tagen und Wochen nach dem 7. Oktober 2023 haben meine Freunde und ich versucht Kontakt zu Gruppen und Organisationen aufzunehmen, um mit unseren Stimmen gegen die Gräuel in Israel protestieren zu können. Es gelang uns nicht Verbindungen herzustellen. Unser einziger persönlicher Kontakt nach Israel ist Yuli, wir waren seit dem 7. Oktober in sorgendem Kontakt mit ihr. Wir haben sie gebeten, uns sooft sie es schafft in Briefen oder Tagebuchberichten an ihrem jetzigen Leben teilhaben zu lassen. Sie ist promovierte Kulturwissenschaftlerin, spricht gut deutsch und lebt allein mit ihrem 5jährigen Sohn. Sie werden sie und ihr jetziges Leben hier kennenlernen.

    Vom Fluss zum Meer wird in Deutschland auf den Straßen und in Hochschulen skandiert und das deutsche NIE WIEDER hört sich nur noch kläglich an und man muß es mit der Leselupe suchen.

    Unsere, meine Kultur ist christlich-jüdisch. Alles was wir seit dem Mittelalter und besonders seit der Aufklärung an deutscher Kultur haben, ist wie eine Doppelhelix aus diesen beiden Strängen Judentum und Christentum gewachsen, hat sich befruchtet und in der Konkurrenz immer schöner entfaltet. Können Sie sich ein Leben ohne Heinrich Heines Lyrik vorstellen? Sein „Denk ich an Deutschland in der Nacht“, ist wieder hochaktuell und wird von links und rechts benutzt. Stefan Zweig, Lion Feuchtwanger, die Familie Thomas Mann, Franz Werfel, Gustav Mahler, Felix Mendelssohn Bartholdy – er spielte Goethe als Kind auf dem Klavier in Weimar vor.

    Wir, unsere Vorfahren, Großeltern, Eltern haben mit jüdischen Menschen zusammen gelebt und haben dann geduldet, dass man sie ohne Schutz mit Gewalt und ohne unsere Hilfe und Verteidigung aus ihren Wohnungen holte und irgendwohin schickte… es war das Gas! Es war Auschwitz! Es gab Schiffe, mit denen sie fliehen wollten, kein Staat der Erde hat sie an Land gehen lassen.

    Jetzt nach diesem grauenvollen Anschlag der HAMAS sitzen wir eingeschüchtert da und meinen, „ja, man muss aber auch, und wir müssen auch die andere Seite verstehen…“! Wir kommen für Widerstand, Unterstützung und öffentliche Sympathiebekundungen nicht ins Konzentrationslager oder fallen Karriereleitern herab, können uns aber im Spiegel ohne Scham ansehen.

    Wir müssen nichts verstehen! Wir müssen verstehen, daß bestialischer Mord, Krieg das Furchtbarste ist, was wir uns als Menschen antun. Krieg ist das schrecklichste was es gibt, es wirkt durch Generationen und verroht die Menschen, verstümmelt die Körper und die Seele für immer.

    Und hier ist es ein Vernichtungskrieg ein Genozid. Wohin sollen denn die Juden vertrieben werden? Im Mittelmeer ersaufen?
    Hoffentlich sind dann Seenotretter zur Stelle und bringen sie in ein neues blühendes Theresienstadt.

    Wie soll die Welt denn damit besser, grüner, schöner werden? Kampf gegen CO2 ist doch lächerlich wenn nebenan dies geschieht!

    Wie kann man leben mit stündlicher Bedrohung und Angst…?
    Sie können es auf unserer Seite lesen. Bitte leiten Sie den Link weiter, wir wollen so wie es Victor Klemperer tat – Zeugnis ablegen – wobei wir inständig hoffen und wünschen, dass unsere „Zeugenaussagen“ sich nicht an der entsetzlichen Wahrheit der seinen messen lassen müssen.

    Auch die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek schreibt auf ihrer Website „Kein Einer und kein Andrer mehr“ in absoluter Fassungslosigkeit entschieden zum Terror der Hamas.

    C.M.

    31.12.2023

    אנו מאחלים לכולם שנה טובה!

    Wir wünschen für alle Menschen ein gutes neues Jahr!