Kategorie: Beiträge

  • „Du bist gemeint! Nicht der neben Dir. Komm!“

    Der 7. Oktober 2023 wird als Datum in die Geschichtsbücher eingehen.

    Der Überfall der HAMAS-Terroristen mit seinen bis dahin nicht für möglich gehaltenen Greueltaten gegen offensichtlich wahllos aufgegriffene Opfer auf dem Boden Israels, der von Anfang an weit davon entfernt war, ein Krieg im herkömmlichen Verständnis zu sein, sollte offensichtlich einen Flächenbrand auslösen. Und scheinbar geht dieses Kalkül insoweit auf, als die Welt den Atem anhält, und ebenso gebannt wie untätig wartet…

    Die zunächst allerorten dominierende uneingeschränkte Welle der Empörung und der bedingungslosen Solidarität mit Israel ist seither, wozu Israel mit seiner Reaktion gewiss auch plausible Gründe liefert, abgeebbt – statt dessen mischt sich  zunehmende Kritik in die Stellungnahmen und ein Ende der Katastrophe scheint ferner denn je.

    Was freilich unverändert bestürzt und nicht zu akzeptieren ist, sind die propalästinensischen Demonstrationen, die die barbarischen Akte der Terroristen noch immer feiern und skandieren, dass der Staat Israel zu vernichten ist. 

    Die Forderung des Tages heute kann nur lauten: Beendet, und dies richtet sich ausdrücklich an alle in diesen Kampf verstrickte Seiten, den Kampf, findet angesichts der sich mittlerweile türmenden Berge von Leichen, von unzähligen sich gegenseitig zugefügten Wunden und von körperlichen und seelischen Schmerzen, die Kraft, jene Bitte zu erfüllen, die seit Monaten zur vielleicht bekanntesten Losung dieser Auseindersetzung geworden ist: „Bringt sie heim!“

    Das gilt als Forderung des Tages für die unverändert festgehaltenen Geiseln der HAMAS ebenso wie für alle aus ihren Wohnungen vertriebene Menschen, in Gaza, in Israel und andernorts.

    Selbst im schlimmsten Fall, wenn es nur noch ein Leichnam ist, verdient er, nach Hause zu kommen. In den fürchterlichsten zwölf Jahren der deutschen Geschichte, und auch schon zuvor während des Ersten Weltkrieges, starben unzählige Menschen nicht in ihrem Bett. Sie wurden nicht selten grausam getötet, irgendwohin beiseite geschafft, unkenntlich gemacht, zerstückelt, als Asche in den Massengräbern der Schlachtfeldern Europas verscharrt. Es waren einmal Menschen, die vergast, verbrannt, zu Mehl zermahlen, zu Seife verkocht worden sind. Sie kamen nicht zurück, viele sind gänzlich spurlos von dieser Welt verschwunden und dadurch wurden noch größere Wunden geschlagen als durch einen gewissen Tod.

    In der 1948 in Stuttgart herausgegebenen Schrift Euch mahnen die Toten wird berichtet, wie ein zum Tode Verurteilter kurz vor seiner Hinrichtung in Berlin-Plötzensee im letzten Brief schreibt, dass er „diesen letzten Gang mit einem freudigen Lachen“ gehen wird, da er eine Zukunft voraussieht „frei von Haß und voll von Liebe …, in der die Sonne ohne Unterlaß scheint“… „Er sterbe in der Gewißheit, sein Kampf und der vieler anderer sei nicht umsonst gewesen! „

    Es war der Glaube, dass diese Welt nun genug Elend gesehen und erlebt habe, um daraus die Kraft zu schöpfen, sich von der Geisel des Krieges, der Gewalt, des Hasses zu befreien.

    Wenn wir heute solche letzten Gedanken lesen – und derer gibt es genug –, müssten wir uns da nicht täglich, stündlich beschämt fragen: „Was ist aus den Hoffnungen dieser Toten geworden? Sind sie denn alle (schon wieder) vergessen? Wie kann es geschehen, dass man heute in Deutschland Losungen auf den Straßen und während offiziell genehmigter Zusammenkünfte skandieren darf, die Juden eingestehen ließen, dass sie sich in diesem Land nicht mehr sicher fühlen? Sind wir denn von allen guten Geistern verlassen?“

    Wir müssten doch zu Hunderttausenden aus den Häusern drängen, unsere Arbeit liegen lassen und uns zusammen gegen diesen Dreck wehren, ihm Einhalt gebieten, ja, mit Wasser  und Besen gegen ihn zu Felde ziehen. Denn auch hier, gerade hier, gilt doch noch immer, vielleicht mehr als je zuvor, der Aufruf des namhaften Intellektuellen, den er zugleich zum Titel seiner Streitschrift bestimmte: „Empört Euch!“

    Aber was geschieht …? Kleine Grüppchen von mutigen Menschen wagen es,  friedlich gegen all die Ungeheuerlichkeiten zu demonstrieren! Da sieht man keine eskortierende Polizei, auch keine mediale Begleitung. Sie wirken verunsichert und warten auf etwas … und dieses etwas wäre , dass „wir wie das Meer, dass seine Dämme bricht“ zu Ihnen eilen würden und die Wälle würden brechen!

    Demonstration in Innsbruck am 07. Juli 2024 (Foto privat)

    Auf Dich, auf uns kommt es an!!! Jetzt gilt, dem gegenseitigen Hinschlachten Einhalt zu gebieten, Leben zu retten und den Ruf nach Frieden unüberhörbar zu skandieren – und damit auch die vielen Toten, die für uns und für eine hellere Welt gestorben sind, nicht zu verraten!

    aus: Social Media. Ein israelischer Vater in Washington, dessen Sohn im Krieg getötet wurde…

  • Es zogen einst…

    Es zogen einst,  wie es im Lied heißt, nicht fünf ……sondern  Millionen junger Männer ganz Europas  in zwei Weltkriege, Millionen dieser jungen Menschen „fielen“ auf beiden Seiten für die Vaterländer. Sie fielen nicht um, sie verreckten, erfroren, verhungerten, wurden zerfetzt von Bomben und Granaten, kamen in Gefangenschaften oder wurden körperlich zum Krüppel und seelisch schwerst traumatisierte Menschen. Familien wurden zerstört, Kinder ohne Väter wuchsen heran, Frauen ohne Männer…

    Wollen wir das wirklich alles noch einmal erleben?

    Der Bund der Kriegsblinden Deutschlands e.V. besteht seit 1916 und ist der größte Bund weltweit. Er stand kurz vor der Auflösung wegen „Nachwuchsmangels“…! Nun wird er wieder tätig sein müssen, um unserem törichten Europa mit seinen aus großem Leid erworbenen Erfahrungen zu helfen. Mit dem Bau jedes Panzers sollte der Bau einer Reha-Einrichtung einhergehen. Davon hört man nichts bei Debatten in den Parlamenten …

    Mit Erlaubnis der Redaktion und des Vorstandes finden Sie hier einige Beiträge aus den finsteren Zeiten, denen der Bund der Kriegsblinden Deutschlands e.V. seine Entstehung verdankt….

     

    Ein Schwerverwundeter wird mit sogenanntem Tandem zum Feldlazarett transportiert (aus BDK) 1916-1991)
    Hugo Brenner, Kriegsblinder Ohnhänder, es gelang ihm, sich selbst mit Wasser und Seife dank der Krukenberg-Hand zu waschen (aus: BDK 1916-1991)

    Die Krukenberg-Plastik, auch bekannt als Krukenberg-Operation, ist eine Operationstechnik, bei welcher der Unterarmstumpf in eine Art Schere aufgeteilt wird. Diese Technik wurde im Jahr 1917 erstmals vom Chirurgen Hermann Krukenberg beschrieben und im Ersten Weltkrieg angewendet. Heutzutage wird sie nur in wenigen Fällen praktiziert und von manchen Chirurgen abgelehnt. Im Jahr 1981, dem Jahr der Behinderten Menschen, wurde sie mit zwei Briefmarken in Bangladesch geehrt. (aus: Wikipedia)

    Von der armseligen staatlichen Unterstützung konnten die Verwundeten des Zweiten Weltkrieges 1946 nicht leben, auf dem Stachus in München bettelten sie um Almosen (aus: BDK 1916-1991)
    Maximilian Reicher *1917 verwundet an der französischen Atlantikküste, seit 1944 blind und Ohnhänder wird von seinem Enkel Dominik geführt

    NIE WIEDER ANTISEMITISMUS und NIE WIEDER KRIEG VON DEUTSCHEM BODEN AUSGEHEND!

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  • „Krieg, Krieg …wisst Ihr denn was Ihr tut?“

    aus Egmont, von Johann Wolfgang von Goethe


    „Es ist Nacht, die Ehepaare legen sich in die Betten. Die jungen Frauen werden Waisen gebären!“ (B.Brecht)

    Ich bin ein solches Waisenkind, mein Vater wurde seit einem Panzerangriff, der in Richtung Wolga zielte, vermisst. Ein unauslöschliches Bild meiner Kindertage begleitet mich bis heute: die Ankunft von Transporten von verwundeten und verstümmelten Kriegsgefangenen auf allen erreichbaren Bahnhöfen zu erwarten, immer auf der Suche dann durch die Reihen der verstümmelten Männer zu gehen, das unaussprechliche Elend aus nächster Nähe zu erfahren und immer wieder allein nach Hause zurückzukehren.

    In meiner Mädchenklasse, die 36 Schülerinnen umfaßte, hatte ein einziges Kind einen Vater. Wir fragten es immer wieder neugierig aus, wie das denn so sei und schlichen ihm nach.

    Faktisch alle Männer, die ich kannte, waren durch die Kriegshölle gegangen. Vaters Eltern wurden achtmal ausgebombt, sein Bruder fand im Januar 1942 in Russland den Tod. Meine Mutter rettete das nackte Leben aus dem brennenden Hannover. Auf eine Güterzuglokomotive gebunden und unter Beschuss im Winter 1941 nach Leipzig gebracht, kam ich dort zehn Tage zu spät zur Welt. 1944 als zweijähriges Kind war ich drei Tage verschüttet, der Mutter gelang zusammen mit einem zehnjährigen Jungen, mich auszugraben, 15 Menschen waren tot neben uns. Im Februar 1945 wurde ich Augenzeuge des verheerenden Bombenangriffs auf Dresden. Wir waren evakuiert worden, befanden uns etwa zehn Kilometer südlich des Stadt und sahen den Feuerzauber voller Angst, dass er auch uns treffen könnte. Ich lernte in dieser Nacht meinen Namen auswendig – zu viele verwaiste Kinder irrten bereits namenlos herum.

    Dann Tag der Befreiung – die kleine Stadt wurde zur Plünderung und Vergewaltigung freigegeben … es war eines der ersten Worte, die ich lernte, die 60jährige Tante hatte es getroffen. Dazu Hunger, Schwarzmarkt, langsames Einrichten in der neuen Wirklichkeit. Die Familie war in alle Winde zerstoben, und noch nicht volljährig, verlor ich die Mutter.

    Ich fand Freunde, heiratete zweimal, aber jeder dieser Männer schleppte ein Kriegstrauma mit sich herum. Sie schrieen manchmal nachts oder sprachen viel, im Alter fast ausschließlich davon. Ich hörte zu, um so auch etwas über den schmerzhaft fehlenden Vater zu erfahren. Später, nach dem Medizinstudium in Hamburg, ging ich in den Schwarzwald, dort übernahm ich für fast 16 Jahre die Leitung einer Kurklinik für Kriegsblinde. Es waren entstellte, an Gliedern amputierte und schwer psychisch traumatisierte Menschen darunter. Taub- Blinde, Männer zuweilen selbst ohne Hände, keiner von ihnen hat später jemals seine Frau, seine Kinder, seine Freunde sehen können. Aber es waren wunderbare Menschen darunter – engagiert, überzeugt, dass ihr Schicksal als Schlussstrich aller Kriege stehen würde. Sie haben studiert, gearbeitet und waren stolz darauf. Vor etwa fünf Jahren wurde das letzte Haus der Kriegsblindenversorgung geschlossen

    Den Balkankrieg erlebte ich wieder näher durch Kontakte zu jugoslawischen Freunden und konnte oft helfen. Der Krieg Russlands mit der Ukraine ist für mich emotional besonders schwierig zu verkraften. Deutschland hat die Sowjetunion im Juni 1941 überfallen – was haben wir dort zu suchen gehabt ? Millionen russischer Menschen sind dadurch gestorben – mein schöner junger Vater in seinem deutschen Panzer an der Wolga … verschollen! Jahrzehntelange Albträume, immer wieder enttäuschte Hoffnung auf eine Rückkehr.

    Und nun Israel!! Vom Fluss ins Meer, wie skandiert wird und das deutsche NIE WIEDER hört sich nur noch kläglich an. Meine Kultur ist christlich-jüdisch, alles was wir seit dem Mittelalter und besonders seit der Aufklärung an deutscher Kultur haben, ist wie eine Doppelhelix aus diesen beiden Strängen Judentum und Christentum gewachsen, hat sich befruchtet und in der Konkurrenz immer schöner entfaltet. Können Sie sich ein Leben ohne Heinrich Heines Lyrik vorstellen? Sein „Denk ich an Deutschland in der Nacht“ ist wieder hochaktuell, und wird von links und rechts benutzt. Stefan Zweig, Lion Feuchtwanger, die Familie Thomas Mann, Franz Werfel, Gustav Mahler, Felix Mendelssohn Bartholdy – er spielte Goethe als Kind in Weimar vor. Wir hatten mit jüdischen Menschen zusammen gelebt und haben geduldet, dass man sie ohne Verteidigung aus ihren Wohnungen holte und irgendwohin schickte …, es war das Gas. Es gab Schiffe, mit denen sie fliehen wollten, aber kein Land der Erde hat sie an Land gehen lassen.

    Jetzt, nach diesem grauenvollen Anschlag der HAMAS sitzen wir eingeschüchtert da und meinen: „Ja, aber man muss doch auch die andere Seite verstehen …?“ Da ist sie wieder, diese törichte Meinung, wenn die Juden aus Palästina weg sind, wird es dort Frieden geben. Ja, vielleicht sind sie dann tot oder in einem neuen Theresienstadt angesiedelt…

    Krieg ist das Schrecklichste, was es gibt, es wirkt durch Generationen und verroht die Menschen, verstümmelt die Körper und die Seelen für immer. Wie soll die Welt denn damit besser, grüner, schöner werden? Jeder Kampf gegen CO2 ist doch lächerlich, wenn nebenan dieses Entsetzliche geschieht!

    Logo des Bundes der Kriegsblinden Deutschland e.V.aus Wikipedia

    Yuli aus Haifa lässt uns, so oft sie es schafft, in Tagebuchform an ihrem jetzigen Leben teilhaben. Sie ist Kulturwissenschaftlerin, hat in Deutschland promoviert, publiziert hierzulande und hat einen fünfjährigen Sohn. Wie lebt es sich da, unter der Bedrohung und voller Angst…? Sie können es auf unserer Seite lesen. Bitte leiten Sie den Link weiter, denn wir wollen, ganz so, wie es Victor Klemperer tat, Zeugnis ablegen!

    Andere europäische Länder können vielleicht ein anderes Verhältnis zu Israel haben und dafür Argumente in’s Feld führen, für uns Deutsche gilt das nicht. Wir stehen angesichts unserer Geschichte im 20. Jahrhundert in einer ethischen und moralischen Verpflichtung zu Israel, in unserer Kultur der Erinnerung wird das immer so sein. Nachkommende Generationen trifft keine indivduelle und auch keine kollektive Schuld mehr, aber zur Verbindung von Vernunft und einer angemessenen ethischen Haltung sind wir unauflöslich verpflichtet.

    A.C.M.

  • „Warum die schwarze Antwort des Hasses auf dein Dasein, ‚Israel‘ (Nelly Sachs 1961).

    Eruptionen der alten Judenfeindschaft und die Israelisierung des Antisemitismus“

    Keynote von Frau Prof. Dr. Dr. h.c. Monika Schwarz-Friesel am 3. Mai 2024 im österreichischen Parlament anlässlich der Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus.

  • Die Würde des Menschen …

    Leipzig feierte sich und seine Verbundenheit zu Israel, zu seinen jüdischen Mitbürgern, stand zu seiner Vergangenheit und zu dem NIE WIEDER!

    Nun nach dem 7. Oktober 2023 zur Illustration des aktuellen Stimmungsbildes ist es eine wichtige erinnernde Reflexion – dass die von der Veranstaltung zur seinerzeitgen jüdischen Woche beschworenen Gewißheiten in einer Stadt wie Leipzig so bröckeln könnten, ist doch eine bestürzende Einsicht …

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    Blick in den Saal am 2. Juli 2021 in der Alten Börse in Leipzig.Foto: Matthias Seidler

     14. Jüdische Woche in Leipzig
    Die Würde des Menschen …
    … ist unantastbar. Ist Sie das wirklich?

    Nach dem größten Zivilisationsbruch des 20. Jahrhunderts gehörte diese Feststellung nach Meinung seiner Schöpfer in das Grundgesetz der 1949 gegründeten alten Bundesrepublik Deutschland. Das Dritte Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg hatten Kräfte und Taten entfesselt, die auch nach 1945 wirkten und an deren Folgen heute noch weltweit gelitten wird.

    Dies nicht dem Vergessen anheimfallen zu lassen ist ständige Aufgabe ebenso wie Lehren zu ziehen, im Großen, wie im Kleinen. 
    Die Stadt Leipzig z.B. erinnert alle zwei Jahre mit einer Jüdischen Woche daran, dass in ihr einmal eine der größten jüdischen Gemeinden Deutschlands ihre Heimstatt hatte, deren liberaler Teil die Stadtentwicklung bis 1933 entscheidend mitprägte. Im Leipziger Musikleben waren sie oft treibende Kraft u. a. im Ringen um eine angemessene Würdigung des Leipziger Musikgenies Richard Wagner. 

    Musikverleger Henri Hinrichsen und Chorleiter Barnet Licht stritten für ein Denkmal, Gustav Brecher als Generalmusikdirektor der Leipziger Oper bereitete umfänglich Wagners Bühnenwerke für die Gedenkjahre 1933 und 1938 vor, Letzteres mit der nie dagewesenen Aufführung aller Wagnerschen Werke. Er konnte es selbst nicht mehr umsetzen, weil er aus der Oper gebrüllt und dann kaltgestellt 
    wurde. Mit der Berufung Adolf Hitlers zum Reichskanzler und der schrittweisen Machtübernahme durch die NSDAP und ihre Gliederungen brach diese Entwicklung ab und endete für die hier genannten Protagonisten tragisch. Tragisch auch deshalb, weil sie sich bis zuletzt ihre Würde nicht nehmen ließen, die nun als  antastbar galt.

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    Der Vorstandsvorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig, Küf Kaufmann, bei der Eröffnung der Jüdischen  Woche am 27. Juni auf dem  Leipziger Augustusplatz. Foto: privat

    Daran knüpfte auch das vielfältige Programm der Jüdischen Woche 2021 an, das mahnend aber auch fordernd zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit einlud, dabei Gegenwärtiges bot und zur Gestaltung einer gemeinsamen friedlichen Zukunft einlud. Der Autor dieser Zeilen kennt deren Bedeutung nur zu gut, leitete er doch neun Jahre das Einladungsprogramm der Stadt Leipzig für vor 1945 
    geborene jüdische Leipziger.

    Vergangenheit und Würde trotz tragischem Ende bestimmten auch die Veranstaltung am Abend des 3. Juli in der gut besuchten Michaeliskirche im Stadtteil Gohlis. Deren Höhepunkt wurde die Lesung des kleinen Monodramas von Franz Werfel „Der Arzt von Wien“, in welchem dieser, um der Deportation zu entgehen, Selbstmord begeht. Kein Einzelfall, wie das Schicksal des o. g. Gustav 
    Brecher im Jahr 1940 bezeugt. Ein erschütterndes Dokument von Hilflosigkeit und Verzweiflung. Wer, wenn nicht der von Fernsehen und Bühne deutschlandweit bekannte und gefeierte Friedhelm Eberle, ein Leipziger Theaterurgestein, konnte diese szenische Lesung nachdrücklicher gestalten. Ketevan Warmuth, seine langjährige Partnerin in vielen gemeinsamen Programmen, kommentierte exzellent 
    die einzelnen Textpassagen am Flügel durch sehr stimmige „Klezmer“-Musik.

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    Kommt extra: Kammersänger Bernd Weikl, Dr. Christiane Meine, Vorsitzende des Fördervereins internationales Kurt-Masur-Institut e.v.Dr. Gerald Diesener,  Universitäts Verlag Leipzig, Professor Friedhelm Eberle. Foto: Matthias Seidler

    Eberle, dessen tiefe Interpretationsfähigkeit niemanden unberührt lässt, gestaltete auch am Abend davor eine der Musik und ihren Protagonisten gewidmete Veranstaltung in der Alten Handelsbörse am Naschmarkt, als deren wichtigste Verbindung gleich einem Scharnier der auf Einladung von Oberbürgermeister Burkhard Jung und Küf Kaufmann, Vorsteher der Jüdischen Gemeinde zu Leipzig, 
    aus Hamburg angereiste Kammersänger und weltweit gefeierte Wagnerinterpret Bernd Weikl steht. Von seiner Person ausgehend entfaltete sich ein ganzes Kaleidoskop an Bezügen und Zusammenhängen, die, zu einem Programm komprimiert, das Besondere dieses Freitagabends in Leipzig ausmachten. Das brachte die Ärztin Dr. Christiane Meine, Vorsitzende des Fördervereins des Internationalen Kurt Masur Instituts, der gemeinsam mit dem Institut für Kulturund Universalgeschichte Leipzig e.V. diesen Abend ausrichtete, in ihrer Begrüßung dem erwartungsvollen Publikum im passabel besuchten Haus dar.

    Meine, für die diese Vortragsveranstaltung „Kurt Masur in Israel – Musik überwindet Grenzen“ zugleich Höhe- wie auch Endpunkt Ihres Wirkens im Förderverein war, artikulierte mit „Versöhnung, Verständigung und Freundschaft zwischen Deutschen und Juden wie zwischen Deutschland und Israel“ das Credo Bernd Weikls, das den ganzen Abend über der Veranstaltung schwebte. Der Sänger schöpft aus einem großen Reservoir an vor allem auch Lebenserfahrung, sang er doch als AltBundesbürger unter der Stabführung Kurt Masurs beim letzten Staatsakt der DDR am 2. Oktober 1990, wenige Stunden vor dem Beitritt des zweiten deutschen Staates zum Geltungsbereich des bereits erwähnten Grundgesetz der BRD, im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt. Dieser Bernd Weikl initiierte kurz zuvor 
    und sang auch in der Hauptrolle die – inzwischen in Israel legendäre – Aufführung des in Leipzig verfassten und uraufgeführten Oratoriums „ELIAS“ von Felix Mendelssohn Bartholdy in Jerusalem und Hamburg zum 40. Jahrestag der Staatsgründung Israels. Er stellte den Kontakt zur israelischen Kulturwissenschaftlerin Dr. Yael Ben-Moshe, Hochschullehrerin in Haifa und Jerusalem, her, die – Corona sei es geschuldet und geklagt –ihren Vortrag zu Kurt Masur und dem Israel Philharmonic Orchestra nicht persönlich halten konnte.

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    Professor Friedhelm Eberle liest aus „Masur in Israel“ von Dr. Yael Ben Moshe. Foto: Matthias Seidler

    Doch alles ist mit allem verbunden, denn der vortragende Wortkünstler Friedhelm Eberle las nicht nur gut und akzentuierte perfekt. Er selbst war mit einem anderen Projekt mit beiden – dem Orchester und dem Dirigenten – bereits in Israel zu Gast. 
    Eberle strahlte vor allem Authentizität aus. Der Inhalt ist leicht zusammengefasst und ist vor allem für die jüngere Generation ein Lehrstück, um nachzulesen und zu hören, wie Kommunikation und Kooperation in Zeiten des Kalten Krieges mal schlecht, mal recht funktionierten und am Ende doch große Kunst ermöglicht wurde. Dazu kam der Umstand, dass die DDR und Israel keine diplomatischen 
    Beziehungen unterhielten. Es bedurfte manchen Zufalls, fähiger Köpfe, Menschen die ein Ziel kontinuierlich verfolgen und immer einen Ausweg finden. Kurt Masur, ein Deutscher, ein Ostdeutscher gar, als Dirigent des Israel Philharmonic Orchestra in Israel, auch in den USA, das ist ein Untersuchungsgegenstand, den es zu erforschen und von allen Seiten zu beleuchten gilt. Es begann mit dem Anstoß durch den Ideengeber und Stardirigenten Zubin Mehta und führte bis zum Höhepunkt – längst nicht dem Ende -, als das Orchester Kurt Masur 1992 mit dem Titel Ehrendirigent auf Lebenszeit auszeichnete. Die Beziehungen zwischen Deutschen und Juden, zwischen Deutschland und Israel bleiben besondere, aus der Geschichte heraus aber auch heute gelebt von Menschen dieser Qualität und Güte.

    Nach dem Vortrag war klar, dass die Ankündigung, das erweiterte Thema in Leipzig in Buchform erscheinen zu lassen, eine Verheißung ist.

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    Die Alte Börse zu LeipzigFoto: Matthias Seidler

    Der zweite Teil des Abends wurde musikalisch, wiewohl eingeführt wiederum von Friedhelm Eberle, der die Biografie des 2020 verstorbenen Adolph Kurt Böhm vortrug, seit 1995 „Gerechter unter den Völkern“ in Israel und enger Freund von Kammersänger Bernd Weikl. Es war nicht zum ersten Mal, dass man in Leipzig von und über „Mutz“, wie er sich gern nennen ließ, hörte. Masur und er haben auf den ersten Blick nicht viel mehr gemein, als den Vornamen Kurt, nach den Geburtsjahren 1926 und 1927 die gleiche Lebenszeit, nur an unterschiedlichen Orten und dass beide Vollblutmusiker waren. Der eine im klassischen Genre, der andere in der Unterhaltungsmusik, die er nach seinem Klavierstudium in Paris pflegte. Als Halbjude war Böhm von Franken nach Paris emigriert, half mit seiner Mutter dort anderen Emigranten und wurde so für das Leben geprägt. Zurück in Deutschland betätigte er sich vor allem als Liedbegleiter und Komponist und verriet sich dabei als unerschütterlicher Romantiker, was auch seine mit „Musik und Menschlichkeit“ betitelten Memoiren preisgeben.

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    Pianist Karl-HeinZ Müller und die Sopranistin Ruth Ingeborg Ohlmann. Foto: Matthias Seidler

    Davon konnte sich auch das Publikum bei einem kleinen Konzert überzeugen. KarlHeinz Müller, im erfüllten Arbeitsleben Solorepetitor an der Oper Leipzig, Studioleiter und Kapellmeister in Altenburg und der Musikalischen Komödie in Leipzig sowie Hochschullehrer in Leipzig und Weimar, begleitete am Klavier Ruth Ingeborg Ohlmann zu einer Reihe Böhmscher Kompositionen. Ohlmann, in Kanada 
    ausgebildet und mit erstem Engagement an der Oper Montreal, danach von Zürich bis Leipzig, schaffte es mit ihrem Gesang, unterstützt von Mimik und Gestik, die romantische Grundhaltung Böhms in seinen Werken zum Klingen zu bringen. Fröhlich und mit dem Blick nach vorn und mit vom Publikum qua Applaus erheischter Zugabe.

    Der Autor fühlte sich an sein Beisammensein mit den alten jüdischen Leipzigern verbunden, wenn um 2005 das Salonorchester Cappuccino unter Albrecht Winter an gleicher Stelle Musik der 20er und 30er Jahre bot und in Ihnen die schönen Seiten  jener immer härter werdenden Jahre zum Klingen brachte, wenn Mitgesungen, mit Fuß, Bein oder ganzem Körper dem Rhythmus gefolgt wurde. Musik und Menschlichkeit, denn Musik überwindet Grenzen.

    Thomas Krakow

    © 2020 Online Merker

    Website by grafikerinwien.at

  • An meine Landsleute

    Bert Brecht

     




     

  • Weltfrauentag 8.März

    Am 8. März 1857 sollen in New York zum ersten Mal Textilarbeiterinnen für mehr Arbeitsschutz, höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten und Frauenwahlrecht demonstriert haben. 1907 wurde der Tag von der Sozialistin und Frauenrechtlerin Clara Zetkin weiter verfolgt unter dem Motto

    „Keine Sonderrechte sondern Menschenrechte“

    und 1908 in New York von der Sozialist Party of America als Frauentag ins Leben gerufen.

    Viel wurde erreicht, wir Frauen in Europa, den USA, Russland aber auch in vielen Ländern Asiens, Australiens und Lateinamerikas haben in den letzten 100 Jahren Qualitätssprünge in unserem Leben erfahren, von denen unsere Mütter und Gr0ßmütter nicht zu träumen wagten.

    Umso schrecklicher und verstörender ist, daß durch Kriege, alles wieder zunichte gemacht wird, was unter viel Leid und mit großem Mut, von Frauen erkämpft wurde.

    Wir wünschen heute am 

    Internationalen Kampftag für die

    Rechte der Frauen, gegen Unterdrückung 

    und für  Gleichberechtigung allen  Frauen 

    der Welt Frieden für sich,  Ihre Kinder und Familien!

    ——

    We wish today on

    International day of struggle for the

    Women’s rights, against oppression

    and for equal rights for all women

    peace in the world for yourself, your children and families!

    ——

    אנומאחליםלהיום

    יוםהמאבקהבינלאומילמען

    זכויותנשים, נגדדיכוי

    ולמעןשוויוןזכויותלכלהנשים

    שלוםבעולםעבורעצמך, ילדיךומשפחותיך!

  • Leipzig und sein NIE WIEDER!

    Die Ez-Chaim Synagoge entstand auf dem Gelände Apels Garten in Leipzig und wurde in in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 vollständig zerstört. Foto: Wandbild an dem alten Standort (privat)

    Gedenkstein in der Leipziger Gottschedstraße an die Zerstörung der Großen Synagoge am 9./10. November 1938 (Foto: privat)

    Gedenktafeln zur Erinnerung an die Zerstörung der Großen Syngoge durch „faschistische Horden“ (Foto: privat)

    140 leere Stühle in Leipzig,

    Veröffentlicht am 2. April 2019, von Horst Heller

    An der Stelle, wo bis 1938 die Synagoge der jüdischen Gemeinde stand, sind heute bronzene Stühle aufgestellt. Eine Betonplatte zeigt den Grundriss des Gebäudes. Ein Gedenkstein enthält die notwendigen Informationen: Durch Brandstiftung „faschistischer Horden“ wurde das Gebetshaus der Leipziger Juden zerstört. Das Denkmal ist von niedrigen Sträuchern umgeben. Es ist begehbar, doch die Stühle sind und bleiben leer. Das erinnert bedrückend daran, daß nicht nur das Gebäude zerstört wurde.

    www.horstheller.de

    Es werden wieder Stühle leerbleiben … Hier stehen die Namen der Opfer der bestialischen HAMAS-Attacke am 7. Oktober 2023 auf Israel

  • Ballade von der Judenhure Marie Sanders

  • Es ist Nacht…

    Bert Brecht – gesprochen von Patrick Becker

    …und wieder werden junge Frauen Waisen gebären, und wieder haben Millionen Kinder in der Welt keine Väter!!!