Yulis Tagebuch, Folge 37


Eine Elefantenfamilie

Im vorherigen Kapitel habe ich über Vergewaltigung gesprochen. Wenn bewusst oder nicht, bei all diesem schwierigen Thema bezog ich mich nicht auf die Vergewaltigung von Kindern. Ich fürchte, in dem Versuch,  solche Verbrechen in Worte zu fassen, werden die Taten eventuell noch kultiviert. Und deshalb ist es besser, es der fruchtbaren Fantasie zu überlassen, denn dort gehört es hin. Barbarisch und animalisch. Außerdem habe ich versucht, so nah wie möglich an das Thema heranzukommen, solange ich meine Übelkeit beherrschen konnte.

In der dritten Runde der Entlassung wurde der 25jährige Ron Krivoi freigelassen. Ron hat auch eine russische Staatsbürgerschaft und da Putin in seinem Fall intervenierte hat, wurde auch ein Mann über 18 freigelassen (wie einfach es ist, wenn Putin interveniert. Hamas lässt jeden frei, der darum bittet). Mit Ron ist auch die 4jährige Abigail Idan, deren Eltern ermordet wurden, freigelassen worden, auch Hagar Brodutch, mit ihren drei Kindern. Zwei Mädchen, Schwestern im Alter von 8 und 15 Jahren, sowie zwei Frauen, Alma Avraham (84) und Aviva Siegel (62). Chen Goldstein Almog deren Ehemann und ihr älteste Tochter am 7. Oktober ermordet wurden, ließ die Hamas auch mit ihren drei Kinder frei.

Alle sind Mütter und Kinder, die nach ungefähr 50 Tagen aus der Gefangenschaft zurückkehren. Manche sind Waisen geworden, manche wissen noch nicht, was sie verloren haben, und manche von ihnen verstehen es nicht, weil sie zu jung sind.

Ich möchte über die 4jährige Abigail Idan ein wenig schreiben. Ihre Geschichte ist auch deshalb in Erinnerung geblieben, weil Präsident Biden Anstrengungen unternommen hat, sie zu befreien – sie besitzt die amerikanische Staatsbürgerschaft –, aber auch, weil das  4jährige Mädchen allein in Gefangenschaft war. 

Ihre Geschichte ist allerdings unvorstellbar. Abigails Mutter wurde zuhause ermordet, der Vater, ein Fotograf der größten Zeitung in Israel Ynet, ist vermisst worden, und ihre Geschwister versteckten sich mehr als 12 Stunden lang auf den Regalen im Kleiderschrank, während ihre Mutter tot im selben Raum auf dem Boden lag. Ihr Vater wurde später noch gefunden, er wurde ebenfalls ermordet.

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Auf dem Foto die Familie Mir-Idan -Kredit die Sendung uvda, Channel 12

Als die Schiesserei begann und die Mutter tot lag, rannte Abigail raus, und hat an die Türen ihrer Freunde geklopft. 

Während die  Kibbutz von  Dutzenden Terroristen gestürmt wurden und sich alle in die Sicherheitszimmer einschlossen, öffnete der Vater von der Brodetz-Familie die Tür für Abigail. Schließlich wurde Abigail zusammen mit Hagar Brodetz, der  Mutter und ihren drei Kindern entführt. 

In der Gefangenschaft  aß Abigail, wie die Erwachsenen, sehr wenig, und da sie oft nicht reden durften, gewöhnte sie sich an, leise zu reden. Sie vermisste ihre Mutter, die bereits vor dem Samstag Frühstück tot war,  und sie wusste nicht, wo ihr Vater und ihren Geschwister waren. Immerhin kümmerte Hagar Brodetz sich um sie, als wäre sie eines ihrer eigenen Kinder.

Abigail und ihre Geschwister haben einen langen Weg der Genesung vor sich. Heute leben sie bei der Tante, der Schwester ihrer Mutter, ihrem Mann und ihren drei Kindern. Vor ein paar Jahren haben die Tante und ihr Mann auf ihre Arme zwei Elefanten und drei  Elefantenkinder tätowiert, nun haben sie noch zusätzlich drei kleine Elefanten hinzugefügt. 

Das ist es, es ist für immer. Alle sind jetzt durch den Schmerz und die Liebe für die Verstorbenen verbunden. 

Es gibt endlose Geschichten, und sie häufen sich immer weiter, wie z.B. die Geschichte von Ella und Dafna Elkayam. Die Mutter hat sie nach jahrelangen Fruchtbarkeitsbehandlungen zur Welt gebracht. Beide Schwestern haben mit ihrem Vater und ihrer Mutter in dem Kibbutz gelebt. lhr Vater, ihre Mutter und ihr Sohn wurden vor ihren Augen ermordet und sie wurden nach Gaza entführt. 

Die Geschichten der Entführten sind unfassbar, auch weil es sich um kleine Kinder oder ältere, hilflose Menschen handelt, die in ihrem Zuhause gefangen genommen wurden. 

120 sind noch da, darunter ein Baby und ein 4jähriges Kind, eine unfassbare Tatsache!

Der Monat November war ein Monat, in dem es wenig Licht gab. Dieses kleine Licht erinnerte uns hingegen daran, wie groß die Dunkelheit noch ist. Aber der Monat November ist noch nicht vorbei und der Schmerz und das Leid des Krieges bleiben für Generationen bestehen.

Das Tatoo von Zoli und Liron Mor. – Kredit: die Sendung uvda, Channel 12