Yulis Tagebuch, Folge 21


Iran is Calling

Etwas hat sich tiefgreifend verändert in Israel. Wir befinden uns in  einer langen STUNDE NULL, und dies in jeder Hinsicht. Sei es in der Sicherheit, in der Gesellschaft, in der Politik, in der Wirtschaft, sogar in der Beziehung zwischen der Religion und dem  Staat. Mit ultraorthodoxen Parteien, die die Jugend in der Yeshiva dem Militär beizutreten ermutigen, und im Gegensatz zu den anderen Ultraorthodoxen, wie die aschkenasische Partei Degel Hatora, die lieber sterben würden, als die Thora nicht zu studieren. 

Mit Demonstranten gegen die Regierung und gegen die Partei, die angeblich eine religiös-nationalistische Strömung vertritt (Ben-Gvir, Smotrich). Allerdings repräsentieren die vorbestraften Extremisten, die an ihrer Spitze stehen, nichts von dieser Strömung, die zur Geschichte Israels in jeder Hinsicht beigetragen hat. 

Und die Linke, die mit dem Fall des Ostblocks und dem Eintritt der östlichen Länder in die Europäische Union einen Großteil ihrer Grundlage verloren hat, büßte ihre Relevanz vollständig ein, als es ihr nicht gelang, sich politisch mit den neuen Technologien und in die Weltwirtschaft – diese scheinbar allen Möglichkeiten eröffnete, allerdings die Klassenunterschiede jedoch verschärfte – zu integrieren. Auf diese Weise brach die Linke in allen westlichen Ländern und auch in Israel zusammen, und hinterließ uns dafür ein Spektrum mittlerer, rechter bis rechtsextremer Parteien. Aber auch mit über einer Million verlorener Menschen in Israel, die sich vernachlässigt fühlen und ihre Stimme im Land nicht äußern können. 

Demonstrationen in Israel veröffentlicht am 6.4 in Globes Zeitung Online https://www.globes.co.il/news/article.aspx?did=1001475796 Foto Kredit: Hofshi Be’artzenu

Der Führer dieses Landes ist gegenüber seinen Bürgern – wie man es nur gegenüber Gefangenen tut – taub. Deshalb demonstrieren die Menschen seit mehr als einem Jahr und geben nicht auf. Nun warten wir also auf den Iran. Und um ehrlich zu sein, es ist in einer Art einfacher, mit jemandem umzugehen, von dem man im Voraus weiß, dass er ein Feind ist, als mit jemandem, der ein Teil von einem ist und sich letztendlich wie ein Fremder verhält.

Und dennoch befindet sich hier ein weiteres Problem. Denn wenn ich mich an all die wunderbaren Iraner erinnere, die ich in Deutschland getroffen und mit denen ich gefeiert habe, weiß ich, wie sehr die Iraner und die Israelis nicht wirklich Feinde sind. Und die herzliche virtuelle Umarmung, die die iranischen Bürger von Zeit zu Zeit über das Internet anonym an den Staat Israel schicken, beweist stark, wie sehr dieser Konflikt der einer fanatischen Religionsgruppe ist, die dort an der Macht sitzt. 

Dieser Konflikt, ist nicht der Konflikt der Millionen Bürger, die hier und dort leben. Und das ist nicht nur meine Meinung, sondern die allgemeine Meinung in Israel seit der islamischen Revolution Ende der siebziger Jahren in Iran. Aber wer feiert diese Krise? Natürlich die Rüstungsindustrie weltweit. Sie haben wahrscheinlich einen Plan, uns alle loszuwerden und eine neue bessere Menschheit zu erschaffen. 

Das große Problem besteht noch darin, dass,  wie im nationalsozialistischen Deutschland – dann, wenn in einem Land, in dem die Mehrheit seiner Bürger intelligent sind, ein verrückter Herrscher herrscht, diese Kombination fatale Folgen hat. Allerdings scheint es so, als sei die Welt dieses Mal auf unserer Seite und wartet ab, wie der Iran reagieren wird. 

Aber keine Sorge, die Welt macht es halt aus Neugier, und nicht weil es irgendjemanden wirklich interessiert. Wie man in den Krimis so einfach sagt: „Fortsetzung folgt“. Ich hoffe zumindest, weil ich unruhig bin. Noch ein realistischer Albtraum ist das letzte, was ich jetzt brauche.