Supermarkt
Dank Deutschland fühle ich mich heute weniger allein. Die Fahne Israels am Brandenburger Tor hat mich nie so angerührt wie in diesen Tagen. In der Zwischenzeit steigern sich auch die Spannungen an der nördlichen Grenze mit Libanon.
Aber hey, man hat die Wahl optimistisch zu sein, oder? Mit starkem Willen halte ich an der Entscheidung fest, heute nachmittag nach Haifa zurückzukehren. Vorher muss ich aber Lebensmittel einkaufen, um die Küchenschränke zu Hause mit allem möglichen zu füllen. Ich nehme wahr, dass der Krieg noch ein paar Wochen dauern wird, und dass empfohlen ist, von den notwendigsten Lebensmitteln in solchen Krisen einen Vorrat zu haben.
Also, ich ging zum Supermarkt und ließ meinen Sohn bei seiner Großmutter, die ihn, wenn die beiden allein sind, so gerne mit Süßigkeiten und Kuchen verwöhnt. Der Weg zum Supermarkt war aber seltsam und unangenehm. Auf den Straßen waren nur wenige Menschen, und ich hatte das Gefühl, dass meine Anwesenheit sehr auffällig war. Ich versuchte leise zu laufen, ganz still auf den Bürgersteig zu treten, damit keiner mich hört. Ich wollte unsichtbar für die Menschen werden, obwohl kaum jemand um mich herum war.
Ich sah dann doch jemanden in der Ferne, da bin ich mir ziemlich sicher. Ich spürte Hitze an meinem Rücken aufsteigen, aber als ich mich umdrehte, war keiner hinter mir. Wahrscheinlich war es wieder die Welle der Angst, die ich den letzten Tage so oft durch alle Körperteile spürte und die mich wie ein Hochwasser zu ertränken versucht.
Als wir uns näherten, jeder auf einer anderen Seite des Bürgersteigs, hatte ich das Gefühl, dass mir Köpfe zugewandt wurden. Sehe ich verdächtig aus? Sie haben mich so komisch angeschaut. Und vielleicht sehe ich gar nicht den Mann im Auto der darauf wartet, dass jemand von uns die Straße überquert, um ihn von hinten anzugreifen oder einfach zu überfahren.
Ich beschließe, einen Umweg zu machen und anstatt vom Parkplatz des Supermarkts hineinzugehen, laufe ich durch den Park. Zumindest kann man dort nicht überfahren werden. Keine Sorge, das sind vernünftige Gedanken für jemanden, der in Israel lebt. Jetzt aber vertraue ich niemandem, nicht einmal dem 70jährigen Straßenreiniger.
Der Weg zum Supermarkt fühlte sich wie die Ewigkeit an. Erst als ich ihn betrete, kann ich wieder normal atmen. Ich habe tief eingeatmet, holte die Einkaufsliste aus meiner Tasche. Wer kann sich heutzutage noch an irgendetwas erinnern?
Überraschenderweise oder auch nicht ist die Liste zu lang, und ich weiß es nicht, wie ich alles zurücktragen kann und dabei auch noch schnell genug laufe. „Verdammt, warum habe ich nicht schon früher daran gedacht und den Einkaufswagen genommen?“ Ich beschließe, auf die meisten Konserven gerade zu verzichten, und diese von der Speisekammer meiner Eltern, die normalerweise super voll ist, zu ergänzen, und mich auf die Dinge zu konzentrieren, die ich unbedingt brauche.
Fünf schwere Säcke voller Grundnahrungsmittel und etwas Gemüse schneiden mir beide Hände auf, aber ich versuche trotzdem, auf dem Rückweg das schnelle Tempo zu halten.
Erst als ich nach Hause war, hatte ich das Gefühl, dass ich vor Schmerzen meine Fingers nicht öffnen könnte. Ich stellte die Taschen neben unsere Rucksäcke ins Zimmer. Um ehrlich zu sein, ich habe jetzt auf nichts Lust. Ich habe keinen Appetit. Ich möchte nicht raus gehen, und ich möchte auch nicht zu Hause bleiben. Ich will einfach unter der Decke liegen, so dass keiner mich findet. „Mama, mir ist langweilig!“ Scheiße – wann werden wir gehen? Wie spät ist es überhaupt? Erst 12 Uhr. Ich atme durch und beschließe, dass wir zunächst Freunde besuchen, die direkt neben uns wohnen. Vielleicht freuen sie sich ja über die Gesellschaft. Es tut mir bestimmt auch gut, ein wenig Normalität zu spüren. Damit ich nicht vor Angst verrückt werde. Zum Glück waren sie tatsächlich sehr froh über den Besuch und für ein halbe Stunde fühlte ich mich glücklich.