Weihnukka
Dieses Jahr fallen die Feiertage der Christen und der Juden zusammen, Weihnachten und Chanukka finden am selben Tag statt. Vom 25. Dezember bis ins neue Jahr hinein werden wir jeden Tag gemeinsam die Dunkelheit beleuchten. Und vielleicht ist es kein Zufall, sondern ein Plan Gottes. Denn es ist Zeit, dass wir innehalten und uns vereinen. Das Gemeinsame erkennen, aufbewahren, behalten und zu verstehen, dass dieses Gemeinsame größer ist als all jene Verschiedenheiten, die uns trennen und zuweilen direkt auseinanderbringen.
Am Ende dieses Jahres sind wir gespalten, herzgebrochen und erschöpfter, im ärgsten Fall hasserfüllter als je zuvor. Das gilt nicht nur für die Beziehungen Israels zu anderen Ländern, sondern auch für die Verfasstheit der israelischen Gesellschaft im Inneren. Das auf uns lastende Trauma des 7. Oktober hat die Konflikte in der Gesellschaft letztendlich vor allem verschärft, Armut greift weiter um sich, da alles teurer geworden ist, nicht wenige Familien zerfallen. Die Kluften, die hier entstanden sind, werden nur langsam und zweifellos schwer zu überbrücken sein.
Der andere Konflikt rührt hauptsächlich vom Image Israels in der Welt her. Ein Image, das seit dem 7. Oktober intensiv durch Veröffentlichungen in den Medien – gleichgültig, ob falsch oder wahr –, und Posts in den sogenannten „Social-Medien“ befeuert wird und im Ergebnis vor allem einen populären Antisemitismus produziert. Seit dem 7. Oktober wird Israel als aggressiv und unmenschlich charakterisiert. Keine Armee, weder die amerikanische noch die britische, ist, als sie in den Irak und in Afghanistan einmarschierten, so beschrieben worden, ja, nicht
einmal die Wehrmacht in Nazi-Deutschland. Selbst sie wurde angesichts der Gräueltaten der SS von jener unterschieden.
Die bittere Wahrheit derzeit ist: Die Interpretation der Ereignisse und der Informationsfluss können nicht angehalten, nicht einmal in Frage gestellt werden. Denn die andere „Seite“ möchte mehr mit der Agenda und dieser Weltanschauung gefüttert werden. Eine Weltanschauung, die einen modischen Antisemitismus hervorbrachte, der über Zeitalter, Klassen, Kontinente und Sprachen hinweggeht, der extrovertiert und kompromisslos auftritt und allen alles erlaubt.
Ich werde jetzt nicht sagen, dass ich auf den Beginn des neuen Jahres warte, dass es dieses Mal besser sein wird, denn das ist unnötig und falsch. Nicht, weil mein Herz gebrochen ist, bin ich pessimistisch. Im Gegenteil, es fiel mir leichter, mich einem albernen und kindischen Optimismus hinzugeben. Ich bin nur realistisch, weil die Dinge in alle Richtungen nicht gut aussehen und ich das Gefühl habe, dass sie nicht gelöst werden, bis eine größere Krise eintritt: etwas Größeres, als das, was wir bisher erlebt haben. Denn die Schwierigkeiten und Krisen verbreiten sich noch wie eine Krankheit.
Heute wurden erneut Raketen von Gaza nach Aschkelon und in den Kibbuzim im Gazastreifen abgefeuert. Und wer hätte gedacht, dass ich in meinen Tagebuchnotizen 70 Folgen erreiche und die Geiseln dann immer noch nicht wieder hier sind. 100 von ihnen sind noch in der Hand der Entführer.
Während ein weiterer Herbst vergangen ist und wir erneut in einen kalten Winter eintreten, müssen wir erkennen, dass das so sehnlich erwartete Abkommen, das ihre Rückkehr ermöglicht, noch nicht zustande gekommen ist, weil die Hamas in Gaza und die Hamas
im Ausland unterschiedliche Interessen verfolgen, verschiedenen Ideologien anhängen und natürlich auch unter äußerem Druck stehen. Jedes Abkommen mit Israel muss für so viele Parteien akzeptabel sein, dass es schon deshalb nicht vorankommt. Die einen wollen auf Trump warten, die anderen bevorzugen Biden, und währenddessen werden unsere Frauen und Männer vergewaltigt und ausgehungert. Immer mehr israelische Künstler werden boykottiert. In der letzten Woche hörte ich, dass Australien mittlerweile einen speziellen Fragebogen für Israelis bei Grenzkontrollen herausgegeben hat. Die dortigen Einwanderungsbehörden verlangen von israelischen Touristen Informationen unter anderem zu Details ihres Dienstes in der IDF, einschließlich Fragen im Zusammenhang mit der möglichen Beteiligung an Kriegsverbrechen.
Wie kann man diese Welle von Feindseligkeit besiegen? Und wiewohl vor ein paar Tagen in mehreren Ländern Reisewarnungen für Israel verhängt wurden – wer würde denn nach der schrecklichen Berichterstattung, Kritik und Hetze gegen Israel seit über einem Jahr überhaupt noch hierher kommen wollen?
Anlässlich des heutigen Beginns der Aussage des Premierministers in seinem Prozess erinnerten Yifat Calderon, die Cousine von Ofer Calderon, der noch in Gaza ist, und die Protestaktivisten ihn daran, was wirklich wichtig ist.
Die Ausstellung von „100 wartenden Zeugen“ zeigte die Namen der 100 Entführten mit einem Bild von Ron Arad über jeden von ihnen. Ron Arad war ein Kampfnavigator, der 1986 gefangen genommen wurde und von dem man danach nie wieder etwas hörte. Sein damaliger Aufenthaltsort und – denn so wird es wohl sein – sein Grab sind bis heute unbekannt. Wird es 100 Rons für Israel geben? Wir denken darüber schon lange nac