Folge 58: Jom Kippur
Jom Kippur fällt normalerweise auf den September. Dieses Jahr begannen aber laut Jüdischem Kalender alle Jüdischen Feiertage erst Anfang Oktober. Sodass der 7. Oktober dieses Jahres nicht auf einen Feiertag fiel, sondern zwischen Rosh Ha‘Shana und Kippur. Der letzte Tag von Sukkot, den wir letztes Jahr am 7. Oktober feierten, fällt dieses Jahr auf Ende des Monats.
Fasten erscheint meisten Menschen als eine Praxis von Fanatikern, ja sogar Paganismus. Allerdings, fasten an sich ist eine großartige Erfahrung. Erstens, auf gesundheitlicher Ebene, reinigt es die Körpersysteme wunderbar. So mindestens einmal im Jahr höre ich für einen Tag auf, „Ungesundes“ zu essen und lasse hauptsächlich meinen Magen und Darm sich selbst reinigen. Das Fasten wird mit allerlei neuen Methoden, wie der „Entgiftungsdiäten“ geübt, unter diesem Rahmen gilt das Fasten als solide und innovativ und nicht als etwas altmodisch und fanatisch.
In Israel fasten weniger als die Hälfte der Menschen. Da ich in einem religiösen Elternhaus aufgewachsen bin, faste ich immer am Jom Kippur, egal wo ich bin, in Israel, Berlin oder in Amerika. Es geschieht parallel zu der Ablehnung von allen alltäglichen Dingen. Das Fasten schafft den Raum für existentielle Gedanken. Darin liegt der Wert von Kippur, in dem spirituellen Wert.
Es geht um das Nachdenken über unsere Handlungen über das ganze Jahr, um Wiedergutmachung zu leisten, um unser Verhalten mit Menschen, Familie, Freunde, und um zu Gott zu beten, für unsere private Sünde, aber auch dafür, die Sünde des Volkes Israel zu vergeben. Diese Bitte hat uns dieses Jahr zu Tränen gerührt, denn es ist so schwer, das Böse, das wir in diesem Jahr erlebt haben, zu begreifen. Selbst diejenigen, die nicht glauben, haben sich dieses Mal an Gott gewandt. Bitte vergib uns und rette uns.
Das Fasten ist manchmal der einfache Teil. Das Problem ist die Hitzewelle, die manchmal an Jom Kippur einfällt, dann ist es bei 35 Grad oder mehr sehr schwierig zu fasten und vor allem nicht zu trinken. Dabei spielt es übrigens keine Rolle, ob wir eine Klimaanlage haben oder nicht, denn die Klimaanlage trocknet die Luft und verursacht nach paar Stunden Kopfschmerzen.
Daher werden verschiedene Gruppen, wie Kranke, die regelmäßig Medikamente benötigen, Schwangere und mehrere Gruppen, die fasten wollen, (niemand ist verpflichtet zu fasten, ist klar, ja?) empfohlen, zumindest Wasser zu trinken und die Medikamente natürlich auch während des Fastens Niemals abzusetzen.
Wenn mir sehr schwindelig ist, trinke ich etwas Wasser. Aber im Allgemeinen ist es mir, ausschließlich einmal oder zweimal, beim Fasten gut gegangen. Eigentlich bin aktiver als sonst. Wieso?
An Jom Kippur ist alles geschlossen. Außer in der Armee, der Polizei und den Krankenhäusern ist alles geschlossen.
Das Fasten beginnt gegen 18 Uhr, bis dahin habe ich 2 Liter getrunken und genug für zwei Tage gegessen (leider nehme ich durch dieses Fasten nicht ab…). Zwei Stunden später geht es mit den Fahrrädern runter. Denn das Autofahren an Jom Kippur ist verboten, von daher reist die Hälfte der Israelis mit Fahrrädern, Skateboards, Rollerblades, etc. Der Rest ist in der Synagoge oder zu Hause. Also, mein Sohn ist mit dem Fahrrad unterwegs und ich versuche mitzuhalten, daher bin ich trotz des Fastens sehr aktiv. Wir trafen mindestens die Hälfte seiner Klasse in der Nachbarschaft, die Kinder spielten Fußball, fuhren Rollerblades und gelegentlich halten sie um zu trinken oder um etwas zu naschen (natürlich fasten Kinder nicht). Ich habe mit den Eltern etwas geschwatzt, traf zufällig alte Freunde und lernte auch neue Leute aus der Gegend kennen.
Wir saßen da und redeten mehr oder weniger über alles, und ab und zu schauten wir in den Himmel. Manche fragten, ob es hier einen geschützten Raum gäbe. Ich dachte, daß ich nach Hause zurückkehren würde, wenn etwas passieren würde. Nach etwa zwei Stunden kam es zur ersten Explosion.
Fortsetzung folgt..