Yulis Tagebuch, Folge 17


Purim

Gestern geschah in Russland ein Terroranschlag. Bewaffnete Männer drangen in einen Konzertsaal ein und erschossen unschuldige Zivilisten. Putin wirft dem Westen, vor allem den USA und Großbritannien, vor, dass die Warnungen vor dem Anschlag Russland in Angst und Schrecken versetzen sollten. Er beschuldigt die Ukraine, den IS-Terroristen einen Fluchtweg ermöglicht zu haben. Ja, er gibt der Ukraine die Schuld, dem Land, das er seit zwei Jahren gnadenlos angreift und das inzwischen massiv zerstört ist, ein Land, dessen Hälfte der Bürger als Flüchtlinge leben. Ja, so ist es mit Menschen wie Putin, die sich als Opfer präsentieren und dabei selbst blutige Beute zwischen den Zähnen halten.

Ähnlich Putin, der terroristische Akte oder terroristische Regierungen (d.h. Diktaturen), die pausenlos die Stabilität des Westens zu untergraben anstreben, unterstützt, hat auch Hamas ein Interesse daran, dass die Kämpfe im Gazastreifen zunehmen werden. Denn mit der Zeit verliert Israel zusehends seine Legitimität, in Gaza zu agieren, und so wird auch sein Bündnis mit dem Westen erneut auf die Probe gestellt.

Wir erleben eine dramatische Entwicklung: Der Terror, Krebsmetastasen gleichend, kehrt sofort an jene Stellen zurück, die die israelischen Streitkräfte verlassen haben, um sich abermals auszubreiten. Beispielsweise verschanzten sich erst vor wenigen Tagen Tausende Terroristen im Al-Shifa’a-Krankenhaus. Dort kam es abermals zu einem erbitterten Kampf. Und während die Zahl der Opfer in Gaza zunimmt, ist es für die Hamas ein Sieg im Kampf um das Bewusstsein (d.h. was die Publikumsmeinung weltweit betrifft). Denn wenn die Hamas die Entführten freigelassen hätte, hätte es viel weniger Opfer gegeben und die IDF hätte sich aus den meisten Orten im Gazastreifen zurückgezogen. Aber bei Raubtieren ist das nicht der Fall, Blut schreckt sie nicht ab. Ganz im Gegensatz, es erregt sie nur.

Inzwischen leben viele Migranten/Olim aus der Ukraine in Israel, ihre Zahl nahm nach dem Krieg mit Russland deutlich zu. Viele ihrer Eltern jedoch haben die Ukraine nicht verlassen. Sie erzählten mir von ihren Familien und dem Krieg dort, wie etwa ihre Eltern das Glas aus den Fenstern nehmen müssen, um bei den Raketenangriffen nicht durch Scherben verletzt zu werden. Stattdessen dichten sie die Fenster mit Holzbrettern ab. Wenn sie ihre Kinder in Israel besuchen wollen, wäre es über Moldawien oder über ein anderes Land, je nachdem, welche Grenze in ihrer Nähe liegt, möglich. Aber die Reise nach Israel dauert manchmal zwei Tage lang. Für viele Eltern ist das zu anstrengend. Als am 7. Oktober der Krieg ausbrach, riefen sie die Kinder an und fragten sie, ob sie in die Ukraine kommen wollten, bis sich die Lage hier beruhigte. Ja, die Situation in Israel ist wahrscheinlich schlimmer als die Situation in der Ukraine, zumindest sieht es von der anderen Seite so aus.

Was der Krieg in Israel mit dem Krieg in der Ukraine gemeinsam hat, ist die Tatsache, dass die Bilder, die die Welt erreichen, immer nur Teile der Realität sind. Und der Kontext ändert sich je nach Deutung. Und diejenigen, die nicht hier sind, haben keine Vorstellung, was wirklich vor Ort geschieht.

Diese Woche haben wir Purim gefeiert. Während Israel ständig von Norden her gegen die Hisbollah kämpft, wird über diesen Krieg kaum berichtet. Dieser Krieg bringt also nicht so viele Nachrichten hervor. Die Raketen, die die Hisbollah aus dem Libanon auf uns abschießt, bringen in Europa keine Demonstranten auf die Straße, weder für noch gegen Israel. Es interessiert einfach niemanden, da die Toten in diesem Krieg hauptsächlich israelische Zivilisten sind. Wann habt ihr in einem westlichen Land Kinder gesehen, die mit den Händen auf dem Kopf auf dem Boden lagen? Vielleicht in der Ukraine, zu Halloween, ich weiß es nicht. Ich habe es nirgendwo andernorts gesehen, aber in Israel schon…