7. Oktober 2023


Das grausame Massaker der HAMAS am 7. Oktober 2023 wird künftighin als ein singuläres Ereignis in das kollektive Gedächtnis eingehen. Die im Moment ihres ersten Erscheinens unfassbar erscheinenden Bilder und Berichte über die Greueltaten dieses Tages machten jeden Betrachter fassungslos – und das Entsetzen steigerte sich noch, als sich die Erkenntnis durchzusetzen begann, dass das kein spontaner eruptiver Gewaltausbruch war, sondern jener einem eiskalt geplanten Kalkül entsprang: Durch unsere Zeugenschaft zusätzlich befeuert sollte der denkbar heftigste Flächenbrand entstehen, der eine ganze Region in den Abgrund zu reißen in der Lage sein würde.

Gewiss – jeder aufmerksame Beobachter der jüngeren Geschichte und der derzeitigen Situation in dieser Region war sich darüber im klaren, dass hier ein Konfliktpotential schlummerte, dass jederzeit zu eskalieren in der Lage sein würde. Wohl nie hatten in Schwarz und Weiß unterscheidende Argumentationen hier eine wirkliche Überzeugungskraft besessen, verfehlten einfache Freund-Feind-Schemata die Wirklichkeit. Gerade deshalb war der Gedanke, durch Appelle und Diplomatie die vielgestaltigen Konfliktlinien unterhalb der Ebene eines Krieges immer wieder austarieren zu können, eine lange gehegte und – wie sich nun zeigte – trügerische Hoffnung.

Nun, zwei Monate nach dem Gewaltexzess an der Grenze, die den Gaza-Streifen und Israel trennt, bestürzen uns die seither zu beobachtenden opferreichen Kampfhandlungen selbst mindestens ebenso, wie das Phänomen des Auflebens eines mörderischen Antisemitismus auch dort, wo man es noch vor kurzem für unmöglich gehalten hat. Dass seither, durchaus von verschiedenen Seiten, auch zum “Genozid” aufgerufen wird, ist ein im 21. Jahrhundert nicht mehr für möglich gehaltener Rückfall in Denkmuster, die man allenfalls mit den Kreuzzügen verbindet und für die die mit dieser Vokabel belegten katastrophalen Verbrechen im 20. Jahrhundert eine beständige Warnung sein sollten.

Die irritierend vielschichtigen Berichte aus der inzwischen faktisch weltweit geführten intellektuellen Diskussion über das “richtige” Urteilen und Verhalten in dieser Auseinandersetzung wühlen auf, während die täglichen Meldungen der Nachrichtenagenturen längst begonnen haben, dieses dramatische Geschehen mit der Umschreibung “Krieg” faktisch herunterzustufen –wiewohl das in Wirklichkeit eben kein Krieg ist, wie ihn die Geschichte schon viel zu oft gesehen hat.

Im Wissen um die unstrittige Tatsache, dass es in diesem Konflikt schon längst keine unbescholtene Seite mehr gab oder jetzt gibt und ebensowenig eine auf der Hand liegende Lösung für die lange herangereiften und jetzt brennenden Probleme existiert, aber ebenso überzeugt davon, dass man jedes Unrecht auch Unrecht nennen können muss und dass man Partei ergreifen soll für das als richtig Erkannte, möchten wir mit unserer Initiative dazu ermutigen.

Gewiss – es liegt nicht in unserer Macht, auf die aktuellen Entwicklungen direkt Einfluss zu nehmen. Das soll aber nicht dazu verleiten, zu schweigen und zu akzeptieren, dass, wie zunehmend beklagt wird, jedwede moralische Empörung letztendlich doch nur hilflos sei. Wir möchten mit unserer hier angekündigten Initiative unsere Stimme dafür einsetzen, dass eben nicht einfach vergessen wird, dass sich gewöhnt wird, dass weggeschaut wird. Deshalb bitten wir Menschen und Institutionen, sich nicht damit abfinden wollen, dass das Geschehen seit dem 7. Oktober zunehmend schweigend hingenommen wird, sondern dass das Leid, das es über unschuldige Menschen bringt, nicht vergessen wird, uns zu unterstützen und sich zu beteiligen an einem Format, das in elektronischer und analoger Form einer faktischen Collage, die aus Tagebucheinträgen Betroffener, Streiflichtern aus Politik, Geschichte und Literatur, auch aus Bildern besteht, die unseren Willen zum Ausdruck bringt, aktiv zu demonstrieren, dass ungeachtet der im Augenblick nicht erkennbaren Lösungswege eine Forderung unverrückbar im Raum steht, die allein die Grundlage einer letztendlich zu schaffenden Friedensordnung auch im Nahen Osten sein muss: Die Würde des Menschen, und zwar jene aller Menschen, ist unantastbar.

G.D.