Kategorie: Yulis Tagebuch

  • Yulis Tagebuch, Haifa (35)

    Dieser Text erschien am 25. Juni 2024 zuerst in der deutschen Version und wird jetzt mit Hilfe von Google und spanischem Lektorat auch auf spanisch zur Verfügung stehen.

    Die Rückkehr von weiteren 13 Gefangenen

    Am 25. November, dem zweiten Tag eines Austausches von israelischen Geiseln gegen inhaftierte Palästinenser, verzögerte die Hamas die vereinbarte Freilassung von ihrer Geiseln bis kurz vor Mitternacht mit der Begründung, Israel habe gegen getroffene Vereinbarungen verstoßen und Drohnen im südlichen Gazastreifen eingesetzt. Weiter behauptete die Hamas, Israel hätte sich verpflichtet, Gefangene entsprechend der Dauer der Haft freizulassen und habe sich daran nicht gehalten. Israel seinerseits argumentierte, Anstrengungen zu unternehmen, um eine Freilassung entsprechend der Dienstzeit vorzunehmen – verpflichtet wäre die israelische Regierung aber nicht.

    Stopp, stopp …  bitte. Seit wann soll ein souveräner Staat einer Terror-Gruppe verpflichtet sein? Aha, Entschuldigung, es ist erst der Fall, wenn das Land „Israel“ heißt. Also, ging mir der Gedanke durch den Kopf, dass die Hamas offenbar die Psychologie der israelischen Gesellschaft versteht, und das ist nicht nur eine Aussage.

    Yahya Sinwar, der Anführer der Hamas im Gazastreifen, war zu fünf lebenslangen Haftstrafen im israelischen Gefängnis verurteilt worden. Er wurde allerdings im Zuge des Shalit-Deals nach 22 Jahren freigelassen. Diese Zeit hat ihm ausgereicht, um die hebräische Sprache zu lernen, und so auch Israelis kennenzulernen. Schließlich wirkt die Sprache wie ein Tunnel in die Seele, und er hat die Sprache sehr gut gelernt, und seit dem auch viele Tunnel gebaut!

    Im Jahr 2008 unterzog er sich außerdem in Israel einer Operation, bei der ein Gehirntumor entfernt wurde. Ja, wir haben ihm das Leben gerettet, um unseres 15 Jahre später bitter zu machen. Von daher ist er bereits mit der Politik Israels sehr gut vertraut, die in der Welt der Studenten renommierter Universitäten als grausam und tödlich angesehen wird. 

    Es ist 22.00 Uhr und ich saß in schrecklicher Anspannung vor dem Fernseher, ich denke an die Kinder und Mütter, die sich in den Händen maskierter bewaffneter Männer befinden, die zuvor Babys zu ihrem Vergnügen ermordet haben – Kleinkinder, die nicht verstehen konnten, was mit ihnen geschieht. 

    Nach mehreren Stunden Verzögerung und unbeschreiblichem Stress, als nur einige der Namen veröffentlicht wurden, kehrten acht Kinder, fünf Frauen und vier Ausländer nach Israel zurück.

    Eines der Mädchen ist die neun Jahre alte Emily Hand. Emily ist ein großer Fan von Beyoncé, sie selbst tanzt und singt gerne. Emilys Mutter starb vor einigen Jahren an Krebs, seitdem lebte sie mit ihrem Vater und ihrer Halbschwester zusammen. Es wurde wochenlang angenommen, dass die neunjährige Emily bei dem Angriff auf den Kibbuz Bari ermordet worden war. Doch später häuften sich die Anzeichen dafür, dass sie eventuell doch nicht ermordet, sondern nach Gaza entführt worden war. 

    Emily Hand

    Was war geschehen? Am Tag vor dem Hamas-Überfall am Freitagabend, übernachtete Emily bei ihrer Freundin Hila Rotem-Shoshani, am Samstag wurde sie zusammen mit ihr und der Mutter Raya Rotem entführt. Emily’s Vater Thomas versuchte, sofort nach Beginn des Alarms Kontakt mit Raya aufzunehmen, aber es war unmöglich.

    Als anfänglich vermutet wurde, dass Emily am 7. Oktober wohl ermordet worden sei, sagte ihr Vater in einem CNN-Interview, dass er, so schrecklich es auch klinge, erleichtert sei zu hören, dass seine Tochter ermordet worden sei und jetzt nicht von den Terroristen misshandelt werde. Aus israelischer Sicht war es verständlich. Denn es ist klar, dass es besser ist, zu sterben, als von Terroristen gefangen genommen zu werden, die Babys in heiße Öfen stecken und Kinder vergewaltigen. 

    Doch Ende Oktober erfuhr der Vater, dass Emily tatsächlich entführt worden war. Ihre Freilassung an diesem Tag war ein großes und aufregendes Licht für den Witwer, zu dem seine Tochter lebendig und auf zwei Beinen zurückkehrte. Emily kehrte im Rahmen dieses Übereinkommens mit ihrer Freundin Hila Rotem-Shoshani zurück. Hilas Mutter dagegen ist immer noch in Gefangenschaft. 

    Unter den zurückgekehrten Kindern waren auch der 17-jährige Noam Or und seine 13-jährige Schwester Alma, die am 7. Oktober Waisen geworden waren. Ihre Eltern wurden am 7. Oktober in ihrem Haus ermordet. 

    Willkommen Kinder. Und: Seid stark für uns, es ist noch nicht zu Ende.

    13 Freigelassene (Kredit) Kan News
  • Yulis Tagebuch, Haifa (34)

    Dieser Text erschien am 22. Juni 2024 zuerst in der deutschen Version und wird jetzt mit Hilfe von Google und spanischem Lektorat auch auf spanisch zur Verfügung stehen.

    Courage

    Ich möchte noch einmal auf den Monat November zurückkommen und auf die Freilassung von Entführten eingehen. Zuvor aber muß ich einer Soldatin einige Minuten widmen, die am 30. Oktober gefunden und gerettet wurde: Ori Megidish. 

    Ori diente als „Spotter“ auf dem Stützpunkt Nahal-Oz. Als die Schießerei am 7. Oktober begann, hat sie – gemeinsam mit 20 weiteren Soldatinnen – im Sicherheitsraum auf dem Stützpunkt Schutz gesucht. Die Terroristen warfen Granaten in diesen Unterschlupf. Von den Soldatinnen haben nur sieben, wenn auch verletzt, diese Attacke überlebt, darunter Noa Marciano, eine gute Freundin von Ori. 

    Ori wurde wie alle Überlebenden gefangen genommen. In Gaza wurde diese kleine Gruppe getrennt und Ori in das Flüchtlingslager Shatti unweit des Schifa-Krankenhauses gebracht. Dort ist sie in einer Wohnung, nicht in einem Tunnel, festgehalten worden. In dieser Wohnung wurde Ori zu einem Objekt bei einem Hamas-Anhänger, der sie einsperrte. Ich möchte auf die Spekulationen, die Gerüchte oder die Fake News, was ihren körperlichen Zustand und das, was sie in seinem Haus durchgemacht hat,  nicht eingehen. 

    Relativ glaubhaft bleibt indes, daß es Ori gelungen sei, mit dem Telefon ihres Bewachers anzurufen, während er schlief, denn so konnte festgestellt werden, wo sie sich befand. Verbürgen für diese Nachricht kann ich mich allerdings nicht, ich weiß es nicht hundertprozentig. Aber allein die Überraschung und die Freude in dieser Woche, dass es einer Soldatin gelungen war, sich selbst zu retten, gaben uns die Hoffnung, dass dies den anderen Entführten auch gelingen könnte. 

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    Ori Megidish: (Kredit) IDF Presseabteilung

    Aber so war es nicht. Nur kurz nach der Rettung Oris wurde bekannt, dass die Leiche von Noa Marciano, Ori’s Freundin, im Schifa-Krankenhaus gefunden wurde. Seither und bis heute ist es der IDF gelungen, lediglich sechs Entführte zu retten. Heute, acht Monate später, gibt es noch immer weitere 120 Entführte, von denen fast 40 bereits tot sein sollen. Aber ob sie tot oder lebendig sind, egal – sie alle sollen nach Hause zurückgebracht werden.

    Ähnlich wie Ori war auch Noa zunächst in einer Wohnung in der Nähe von Schifa eingesperrt worden. Während eines IDF-Angriffs in der Gegend wurde der Hamas-Terrorist, der sie festhielt, getötet. Auch Noa wurde verletzt. Es war aber keine lebensgefährliche Verletzung, wie aus ihren medizinischen Befunden hervorgeht. Doch brachten ihre Entführer sie jetzt in das Schifa-Krankenhaus und dort ist sie am 9. November von einem Arzt ermordet worden. 

    Noahs Leiche sowie die sterblichen Überreste der 65-jährigen Judith Weiss, die ebenfalls in Schifa gefunden wurde, brachte der IDF nach Israel zurück. Judith Weiss hatte drei Monate zuvor erfahren, dass sie Krebs habe und mit der Behandlung jetzt beginnen müsse. 

    Auch der Ehemann von Judith Weiss, Shmulik, wurde auch ermordet. Die Terroristen brannten sein Haus mit ihm nieder. Einen Monat nach der Beerdigung ihres Vaters erfuhren die Kinder, daß ihre Mutter ebenfalls ermordet worden war.

    Diese und viele ähnliche Nachrichten sind unsere täglichen Begleiter, sie prägen die allgemeine Stimmung. Gleichzeitig nehmen überall in der Welt der Hass und die Wut gegenüber Israel immer mehr zu. Scheinbar hat die Welt die Ermordeten des Nova-Festivals bereits vergessen. Und aus Israel ist schnell wieder der Angreifer geworden. 

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    Noam und Alma Or (IDF Presseabteilung)

    Inmitten dieses ganzen Wahnsinns versuchen wir, eine alltägliche Routine aufrechtzuerhalten. Ich bringe meinen Sohn jeden Tag – besorgt zwar, aber ich denke, es ist besser so für ihn – in den Kindergarten, nachmittags planen wir andere Aktivitäten. Währenddessen dröhnen in meinem Kopf Sirenen. Sirenen, die draußen nicht immer zu hören sind, 

    aber ich höre sie jederzeit, vor allem, wenn es zu still wird.

    Und an jedem Abends dieses Dilemma: Soll ich ihn in seinem Bett schlafen lassen oder in meinem Bett? Wie bekomme ich ihn im Alarmfall schnell aus dem Bett? Vielleicht wäre es das Beste, wenn wir zusammen in einem Zimmer schlafen. Aber er möchte das nicht. Gern will er im Zimmer mit den Spielsachen schlafen, und da habe ich keinen Platz. 

    Also – ich wasche mich, putze die Zähne und lege mich für eine weitere Nacht, in der ich nicht wirklich gut schlafen kann, ins Bett.

  • Orgulloso de ti Yuval! 🇮🇱

    Eurovision
    Fuente Comunidades plus

  • Yulis Tagebuch, Haifa (32)

    Dieser Text erschien am 7. Juni 2024 zuerst in der deutschen Version und wird jetzt mit Hilfe von Google und spanischem Lektorat auch auf spanisch zur Verfügung stehen.

    Dunkler November

    Zwischen dem jüdischen Neujahr und Chanukka, wahrscheinlich vielen auch als Lichterfest ein Begriff, liegt der Monat November. Er ist normalerweise ein Monat ohne herausragende Tage, denn die Feiertage sind vorbei und der Herbst beginnt. Das typische Sommeroutfit wird durch längere und wärmere Kleidung ersetzt und all das wirkt sich auch irgendwie auf das Bewusstsein aus. Im November kann man sich nicht genug wundern, wie schnell so ein Jahr vergeht, man überlegt sich für das nächste Jahr neue Ziele und hofft, dass möglichst viele Wünsche in Erfüllung gehen.

    Im November 2023 war vieles anders – eine Fortsetzung des vorherigen dunklen Monats. Es gab kaum dieses ruhige Nachdenken – es war einfach nicht die Zeit dafür. Wir sind in Gedanken ständig bei dem sich fortsetzenden Krieg, die Ermordeten sind uns gegenwärtig, wir beten um die Rückkehr der Entführten. Denn die Entführten müssen nach Hause gebracht werden – bringt bitte die Kinder zu ihren Eltern zurück!

    Eltern sitzen zu Hause – ohne ihre Kinder, weil ihre Kinder gefangen genommen wurden. Das ist Wahnsinn! Es kann nicht sein, dass ein Vater täglich vor dem Verteidigungsministerium in Tel Aviv sitzt, denn seine Frau und seine Töchter sind in Gefangenschaft. Es kann nicht sein, dass ein dreijähriges Mädchen, dessen Eltern ermordet wurden, allein in Gefangenschaft ist. 

    Und ich halte mich gerade zurück, um nicht über den Holocaust zu sprechen. Aber alles erinnert mich an die Kinder von damals, die in den Konzentrationslagern oder in den Ghettos völlig allein waren, nachdem ihre Eltern und andere Verwandten ermordet wurden. Große Einsamkeit und Schmerzen erlebten die Kinder in der Gefangenschaft. Und die Politiker, die für diese Hölle verantwortlich sind, diskutieren noch immer, ob 10 Entführte für rund Hundert Terroristen freizulassen ein vertretbares Angebot wäre. 

    Es fällt mir schwer zu glauben, dass es in Israel jemanden gibt, der gegen ein solches Abkommen ist. Und doch – es gibt auch solche. Ihnen möchte ich zuschreien: „Wenn es ihre Kinder oder Enkelkinder wären, wären sie doch sofort bereit, jeden Preis für sie zu zahlen.“ Zum Glück stimmte die Mehrheit dafür und dieser teuflische „Deal“ war im Gange.

    Für zehn lebende Geiseln entlässt Israel 150 Terroristen aus dem Gefängnis und Israel erhöht die humanitäre Hilfe für Gaza. Israel erhöht auch die Menge an bereitgestelltem Benzin. Israel stellt sowohl den Kampf als auch das Sammeln von Geheimdienstinformationen ein. Aber der Hamas kann und darf man nicht bis zum letzten Moment trauen. Eine Terrororganisation ist … niemandem verpflichtet, ihr Ziel ist, Angst und Zerstörung zu verbreiten. 

    Davon wird sie genährt und getragen und für ihr in eingängige Slogans gehülltes Handeln gewinnt sie weltweit große Sympathie. Das war leider schon immer so. Egal, ob es sich um extremistische Gruppen von der rechten oder linken Seite handelt.

    Heute aber gilt: Es gibt keinen höheren Preis, als die Kinder aus der Gefangenschaft herauszuholen und zu ihrer Mutter, zum Vater, zu den Großeltern oder zur Tante zurückzubringen. Bringt sie einfach zurück. Lasst die Mörder gehen, aber lasst die Kinder nicht noch weiter in ihren Händen bleiben. Die ersten dreizehn Entführten kehrten nun tatsächlich zurück. Weitere neun ausländische Staatsbürger wurden auch freigelassen – aber nur, weil sie Staatsbürger Russlands, Thailands oder anderer Länder sind. 

    Magie ist das nicht, sondern Politik zwischen den Ländern und Katar und Geld natürlich. Die Familien der Gefangenen wussten im voraus, ob ihre Verwandten freigelassen wurden und warteten bereits im Krankenhaus oder in Kerem-Shalom. 

    Ich saß vor dem Fernseher und war sehr aufgeregt. Ich konnte kaum atmen, ich wollte die Kinder und Frauen schon zu Hause sehen, von den Händen unserer Soldaten gehalten. Von der Hamas über das Rote Kreuz, den Grenzübergang bis hin in unseren Händen. Denn seit der ersten Intifada hat Israel immer nur Leichen oder Leichenteile zurückbekommen. Gilad Shalits Rückkehr nach fünf Jahren war eine außergewöhnliche Geschichte und der „Preis“ galt damals als sehr hoch: Tausend Terroristen für einen Soldaten. Aber worauf kommt es an? Die Zahl der Terroristen verdoppelt sich jederzeit. Jedes Kind in Gaza, das eine Waffe halten kann, bekommt bereits ein Gewehr …

    Aber es gibt nichts Wertvolleres, als zu sehen, wie Menschen aus der Hölle nach Hause kommen und sich erholen. Gilad Shalit, der seinen Bachelor-Abschluss machte und heiratete, kam nun, um die Familien der Entführten zu unterstützen. Welchen Preis hat es? Den meisten Überlebenden des Holocaust gelang es, eine Familie zu gründen und noch aus den Trümmern ein lebenswertes Leben aufzubauen. Aber Erinnerungen an Erlittenes ließen sich nie verdrängen.

    IDF-Sprecherabteilung (3 Fotos)

    Die nun freigelassenen vormaligen Geiseln befinden sich in Israel. Jetzt müssen sie sich psychisch und physisch erholen. Ich warte schon jetzt voller Hoffnung auf diejenigen, die morgen ankommen werden.

  • Yulis Tagebuch, Haifa (33)

    Dieser Text erschien am 16. Juni 2024 zuerst in der deutschen Version und wird jetzt mit Hilfe von Google und spanischem Lektorat auch auf spanisch zur Verfügung stehen.

    Urlaub vor dem Sommer (und noch 120 Menschen in der Gefangenschaft!)

    Ich mag die Hitze nicht. Vor allem die israelischen Sommer nicht. Sie sind zu heiß, zu feucht und zu lang. Ich bin im Herbst geboren, am 7. Oktober, und bin zweifellos ein Mensch des Herbstes  und Frühlings. Ich bevorzuge mehr einen Tag Regen und am nächsten Tag Sonne, als pausenlos heiße Tage.

    Verstehen Sie mich nicht falsch, ich mag den Sonnenschein, aber bis zu einer bestimmten Temperatur. Wenn einem beim Sitzen im Garten mit einem kühlen Bier in der Hand, die Haare schweissgetränkt am Nacken kleben, ist das ein Zeichen dafür, dass die Hitze unerträglich ist. 

    Allerdings wäre es schön gewesen, wenn die Hitze das einzige Unerträgliche  wäre – der Krieg, der Antisemitismus, die Gefangenen, die Politik im Ganzen und Netanyahu im Besonderen, aber auch die Lebensmittelpreise,  der Treibstoff, und viel mehr – so vieles ist derzeit schwierig und unerträglich.

    Um den Kopf und Seele zu klären, flogen wir mit einer Freundin und ihrem Sohn nach Eilat, ans Rote Meer. Warum dorthin? Der Norden Israels wird ständig von der Hisbollah bombardiert und steht seit vielen Wochen in Flammen. Bereits 15.000 Dunam (1.000 qkm)!Wald wurden niedergebrannt und die Flammen fressen laufend immer mehr. Bei starker Hitze und Wind ist es noch schwieriger, das Feuer zu löschen. Über den täglichen Beschuss aus dem Libanon hinaus ist der Norden kurz nach dem  7. Oktober gleichfalls menschenleer geworden. Deshalb gibt es gerade keine Möglichkeit, um in den wunderschönen Norden zu reisen, wo  täglich weiterhin gelöscht wird.

    Auf der anderen Seite Israels liegt Eilat. Eilat ist im Grunde eine Wüste und die Temperaturen erreichen im Hochsommer +47 Grad Celsius. Es kommt vor, dass es  Anfang Juni dort schon ungewöhnlich so heiß ist wie im Hochsommer. Das bedeutet, es war draußen um 21 Uhr ebenfalls unerträglich heiß. An einem Tag verbrachten wir ein paar Stunden am Unterwasser-Observatoriumsturm und am ganzen Marine Park und am Samstag waren wir am Delfin-Riff. Dort gibt es einen schönen Strand mit verschiedenen Tieren und ganz viel Bäumen, die Schatten spenden und auch die Luft kühlen.

    Die Kinder gingen mit den Schnorcheln ins Wasser, während ich ihnen auf einem Stuhl im Wasser zusah. Danach gingen wir, um die Delfine zu treffen. Meine Freundin war ungewöhnlich begeistert von den Delfinen und fotografierte pausenlos. Ich, im Gegensatz, schloss hinter der Brille die Augen und dachte an IHN und wie weit wir voneinander sind. Wir haben uns seit so vielen Monaten nicht gesehen und ich habe überhaupt nichts  mehr von IHM gehört. Deshalb war ich auch allgemein froh, dass die Cocktails am Strand sehr günstig waren. 

    „Ich denke, wir werden hier zum Mittagessen noch bleiben und dann ins Hotel zurückkehren“, schlug ich meiner Freundin  vor. Ich war erschöpft von der Hitze, mein Kopf brannte vor Gedanken und ich brauchte die Klimaanlage, um mich herunterzukühlen. Die Kellnerin war trotz der Hitze flink und aufmerksam und ziemlich schnell war alles schon auf dem Tisch. Fünf Minuten später begann plötzlich aus allen Seiten ein Applaus, fröhliche Pfiffe und Leute am Strand begannen zu singen.

    Ich verstand nicht, was passiert war, also habe ich jemanden gefragt: Vier Entführte wurden von der Armee befreit.  Noa Argamani (26) und drei Männer: Almog Meir Jan (22), der auf dem Nova Festival arbeitete, Andrey Kozlov (27), dessen Familie in Russland lebte und Shlomi Ziv (40) Jahre alt. Sie wurden täglich geschlagen und gequält und acht Monate lang ausgehungert, aber endlich noch lebend befreit. Noa Argamani besuchte ihre Mutter, die sich in einem ernsten Zustand im Krankenhaus befindet, und Andrey traf sich mit seiner Familie, die in Russland  lebt. 

    Almogs Vater starb einen Tag vor seiner Freilassung und Noa, deren Freund immer noch in Gefangenschaft ist, traf sich mit seiner Mutter.

    Unter meiner Sonnenbrille flossen jetzt Tränen des Glücks, für die vier, die das Glück hatten, dem Inferno entkommen zu sein. Wie viel Freude hat es uns Israelis bereitet, dass es für vier Menschen wieder eine Chance zum Leben gab. Dieser Schabbat war nicht mehr dasselbe. Der Tag war von einer anderen Energie erfüllt, die ein Gefühl des Glücks vermittelte. Für einen Moment war die Realität erträglich. 

    Gleichzeitig trauerten wir um den, der bei der Rettungsaktion getötet wurde und symbolisch oder nicht, wurden ein paar Tage nachher vier junge Soldaten getötet. Da sich die Informationen über die freigelassenen Entführten immer weiter häufen, verstehen wir noch besser, wie wesentlich und dringend es ist, die 120, die sich noch dort befinden, so schnell wie möglich freizulassen.

    Am letzten Tag hat mich die Grippe erwischt. Anscheinend war der Entspannungsversuch zu stressig für meinen Kopf. Also, zurück zur Routine… 

  • Diario de Yuli desde Haifa (32)

    Este texto aparecerá en la versión alemana el dia 7 de mayo de 2024 y ahora también estará disponible en español con la ayuda de Google y el Reader español.

    Noviembre oscuro

    El mes de noviembre se encuentra entre el Año Nuevo judío y Hanukkah, probablemente también conocido por muchos como la Fiesta de las Luces. Suele ser un mes sin días destacados, porque acaban las vacaciones y comienza el otoño. La típica vestimenta de verano es sustituida por prendas más largas y abrigadas, y todo ello afecta de alguna manera a la conciencia. En noviembre no puedes dejar de maravillarte de lo rápido que pasa el año, piensas en nuevas metas para el próximo año y esperas que se cumplan tantos deseos como sea posible.

    En noviembre de 2023, muchas cosas fueron diferentes: Una continuación del oscuro mes anterior. Apenas hubo alguna reflexión tranquila: Simplemente no había tiempo para ella. Nuestros pensamientos están constantemente en la guerra en curso, los asesinados están presentes ante nosotros, oramos por el regreso de los secuestrados. Porque los secuestrados deben ser devueltos a casa. ¡Por favor, devuelvan los niños a sus padres!

    Los padres están sentados en casa, sin sus hijos porque sus hijos han sido capturados. ¡Esto es una locura! Es inaceptable que un padre se siente todos los días frente al Ministerio de Defensa en Tel Aviv porque su esposa y sus hijas están en cautiverio. No puede ser que una niña de tres años cuyos padres fueron asesinados esté sola en cautiverio. 

    Y por ahora me abstengo de hablar sobre el Holocausto. Pero todo me recuerda a los niños de aquella época, que estaban completamente solos en los campos de concentración o en los guetos después de que sus padres y otros familiares fueran asesinados. Los niños experimentaron gran soledad y dolor en cautiverio. Y los políticos responsables de este infierno todavía están discutiendo si liberar a diez personas secuestradas por cientos de terroristas sería una oferta razonable. 

    Me resulta difícil creer que haya alguien en Israel que esté en contra de un acuerdo así. Y, sin embargo, existen tales cosas. Me gustaría gritarles: “Si fueran sus hijos o sus nietos, estarían inmediatamente dispuestos a pagar cualquier precio por ellos”. Afortunadamente, la mayoría votó a favor y este “acuerdo” diabólico estaba en marcha.

    A cambio de diez rehenes vivos, Israel liberará a 150 terroristas de la prisión y aumentará la ayuda humanitaria a Gaza. Israel también está aumentando la cantidad de gasolina suministrada. Israel detiene tanto los combates como la recopilación de inteligencia. Pero no se puede ni se debe confiar en Hamás hasta el último momento. Una organización terrorista… no tiene obligaciones con nadie; Su objetivo es difundir el miedo y la destrucción. 

    Esto es lo que la nutre y la sostiene, y sus acciones, envueltas en lemas pegadizos, le ganan una gran simpatía en todo el mundo. Desgraciadamente, esto siempre ha sido así. Independientemente de que sean grupos extremistas de derecha o de izquierda.

    Pero hoy en día no hay precio más alto que sacar a los niños del cautiverio y devolverlos a su madre, su padre, sus abuelos o su tía. Simplemente tráerlos de vuelta. Dejad ir a los asesinos, pero no dejéis que los niños queden en sus manos. Los primeros trece secuestrados realmente regresaron. Otros nueve extranjeros también fueron liberados, pero sólo porque son ciudadanos de Rusia, Tailandia u otros países. 

    Esto no es magia, sino política entre los países y Qatar y dinero, por supuesto. Las familias de los prisioneros sabían de antemano si sus parientes serían liberados y ya estaban esperando en el hospital o en Kerem Shalom. 

    Me senté frente al televisor y estaba muy emocionado. Apenas podía respirar, quería ver a los niños y a las mujeres en casa, sostenidos por las manos de nuestros soldados. De Hamás a la Cruz Roja, del cruce de fronteras a nuestras manos. Desde la primera Intifada, Israel sólo ha recibido cadáveres o partes de ellos. El regreso de Gilad Shalit después de cinco años fue una historia extraordinaria, y el „precio“ se consideró muy alto en aquel momento: mil terroristas por un soldado. ¿Pero qué es importante? El número de terroristas se duplica cada día. A cada niño de Gaza que puede sostener un arma ya se le ha proporcionado un rifle…

    Pero no hay nada más valioso que ver a la gente regresar a casa del infierno y recuperarse. Gilad Shalit, quien obtuvo su licenciatura y se casó, ahora vino a apoyar a las familias de los secuestrados. ¿Cual es el precio? La mayoría de los sobrevivientes del Holocausto lograron formar una familia y construir una vida digna de ser vivida entre los escombros. Pero los recuerdos de lo sufrido nunca pudieron ser suprimidos.

    Los ex rehenes que ahora han sido liberados están en Israel. Ahora necesitan recuperarse mental y físicamente. Ya estoy esperando con esperanza a los que llegarán mañana.

    Toda la familia KUTZ asesinada el 7 de octubre de 2023
    Foto 2-4 Departamento del Portavoz de las FDI

  • Yulis Tagebuch, Haifa, (31)

    Dieser Text erschien am 6.Juni 2024 zuerst in der deutschen Version und wird jetzt mit Hilfe von Google und spanischem Lektorat auch auf spanisch zur Verfügung stehen.

    Das Entführungsvideo und Der 26. Mai 2024

    Heute brachte mein Sohn einen „Kumpel“ aus dem Kindergarten mit. Fünf Minuten später hörten wir laute Explosionen über unseren Köpfen. Zwei verängstigte Kinder rannten zu mir. Noch erschüttert von den Sirenen sagte ich ihnen mit einem gezwungenen Lächeln: „Alles ist gut Kinder, ich denke, dass es schon vorbei ist.“

    Seit Mittwoch, nachdem ich das Video von den entführten Mädchen gesehen habe, habe ich keine Kraft mehr, mich über meine Angst, meinen Schmerz oder irgend etwas zu beschweren. 

    Ich bin zu Hause, ohne dass eine geladene Waffe auf auf meinen Kopf gerichtet ist. Ich gehe in mein Bett ohne Angst um meinen Körper.

    Ich bin mir bewusst mit Euch nicht über die Vergewaltigung der jungen Frauen gesprochen zu haben. 

    Mit der Zeit, und mit den neuen Zeugnissen, wird es allerdings noch schwieriger, die Dinge zu verdauen. Es fällt mir schwer, näher darauf einzugehen und mich eingehend damit zu befassen. Jeder Versuch über die Vergewaltigung zu schreiben, löst einen schnellen Herzschlag aus und mir wird auf einmal übel. 

    Aber ich möchte unbedingt darüber etwas schreiben, und deshalb habe ich mich entschlossen, die Reaktionen der Eltern auf das zuletzt verbreitete Video hier zu beschreiben – aus Respekt vor ihnen. 

    Für diejenigen, die Tag für Tag in Schmerzen und Sorgen um ihre Töchter und Stunde für Stunde zum Himmel und überall auf der Erde um Hilfe schreien. Seit 233 Tagen – ihr Albtraum endet nicht. 

    Deshalb ist es angebracht, ihren Schrei auch hierher zu bringen, damit er an möglichst vielen Orten widerhallen wird.

    Ich konnte das Video von den Mädchen in der Geiselhaft, nachdem sie geschlagen und vergewaltigt wurden, nicht vollständig ansehen. Aber ich konnte den Schrecken von ihnen durch ihre Augen spüren. Ein paar Stunden vorher haben die Mädchen wahrscheinlich noch auf TikTok oder auf Instagram gescrollt. Sobald sie die Schüsse hörten, haben sie an die Eltern geschrieben, manche haben sich von den Eltern auf WhatsApp verabschiedet, manche nicht. Und jetzt sind sie in der Geiselhaft als Sex-Sklaven oder schon tot, oder halb verhungert und geschlagen. Bluten in ihren Seelen und im Rest ihrer Körper. Die Leichen ihrer Freunde liegen neben ihnen.

    Das Video ist nicht neu. Aber die Eltern verlangten, die Aufnahme öffentlich zu machen, weil sie der Gleichgültigkeit der Welt und der Entscheidungsträger in Israel nicht länger standhalten konnten. 

    Ayelet und Naama Levy Kredit: Webseite: Mako 7.Januar 2024 und Channel Keshet 12, morning news.

    Die Mutter von Naama Levy, Ayelet, ist Ärztin von Beruf. Ihr ganzes Leben kümmert sie sich um Menschen. Nun ist sie aber ganz weit entfernt und es ist ihr nicht möglich, sich um ihre eigene Tochter zu kümmern und sie zu heilen. Obwohl die ganze Welt sah, wie ihre Tochter mit blutgetränkter Hose zum Transporter geschleppt wurde, sagt sie mit erstickter Stimme im Radio, daß sie sowohl den Schmerz ihrer Tochter trägt aber auch von der Gleichgültigkeit der Welt angesichts dieser Bilder verletzt ist.

    Liri’s Eltern erzählen, es sei ihnen schwergefallen in die Welt zu schreien, dass ihre Tochter jeden Tag vergewaltigt wird. Aber irgendwann konnten sie nicht mehr schweigen und der Schrei kam. 

    Die Zeugnisse derjenigen, die aus der Gefangenschaft zurückkamen, sind schwieriger als das, was wir im Video sehen. Trotzdem interessiert es niemanden. Nicht die Intellektuellen in der Welt, nicht die Frauenorganisationen, nicht die Entscheidungsträger weltweit, und auch nicht genug die Entscheidungsträger in Israel..

    israelfeindliche Schmierereien an öffentlichen Gebäuden Quelle: Social Media

    Ich weiß nicht, aus welchem Impuls heraus, muslimische Frauen auf die Straße gehen und „Free Palästina“ rufen. Ich frage mich manchmal, wer von den Demonstrantinnen ist/wird gegen ihren Willen geheiratet. In welchem Alter werden sie schon verheiratet? Ich frage mich, ob ihre Männer mehrere Frauen haben dürfen. Und wenn sie nach Hause kommen, ob sie ihren Männer alles sagen können, oder wägen sie ihre Worte? Ich frage mich, ob sie den Mut oder das Recht haben, in ihren Herkunftsländern zu demonstrieren, und wer von ihnen, als sie klein war, einer Sexualverstümmelung ausgesetzt wurde.

    Ich frage mich, ob sie eventuell nichts Ungewöhnliches bei den Videoaufnahmen der entführten Frauen finden? Und liegt darin auch ihre Gleichgültigkeit? 

    Denn wenn muslimischen Frauen (oder einer die mit einem Muslim verheiratet ist) Ketzerei vorgeworfen wird oder sonst was und sie deswegen geschlagen, gesteinigt, ermordet werden… schließlich schauten ihre muslimischen Schwestern ebenfalls weg.

    An dem Ort, an dem die Nova-Party stattfand, wurden Dutzende Mädchen und Jungen gefunden, die mit entblößten Genitalien an Bäume gefesselt waren. Sie wurden an einen Baum gefesselt, vergewaltigt und ermordet, nicht sicher, in welcher Reihenfolge das geschah. Einige von ihnen wurden nach der Vergewaltigung auch lebendig verbrannt. 

    Befreie zunächst Palästina von sich selbst!

  • Yulis Tagebuch, Haifa (27)

    Dieser Text erschien am 19. Mai  2024 zuerst in der deutschen Version und wird jetzt mit Hilfe von Google und spanischem Lektorat auch auf spanisch zur Verfügung stehen.

    Wo ist Nirgendwo?

    Am 30. Oktober, kurz vor Ende dieses unerträglichen Monats, geschehen in Israel und anderswo Dinge, die uns weiterhin erschüttern. Es sind nicht die Demonstrationen auf der Straße, die uns so erschüttern, als das Auftauchen von altem Antisemitismus, der sich nicht schämt und überall demonstrativ zum Ausdruck kommt. 

    Er tritt auf am Arbeitsplatz in großen und kleinen Unternehmen, an Universitäten, gegen jüdische-israelische Geschäfte usw. All dies trägt zur zunehmenden Gewalt bei. Wie bei dem Vorfall am Sonntag in Dagestan. 

    Ich hatte eigentlich keine Ahnung, wo Dagestan liegt, und selbst nach dem Ereignis verstehe ich es immer noch nicht genau. Es ist Teil Russlands, aber nicht in Russland. Einer Region, die einst gemäßigt muslimisch war, jedoch unter Putins Regierung zur Brutstätte von ISIS und antisemitischer Aktivisten geworden ist. Wie die Hamas haben Terroristen in Dagestan ein geplantes Massaker weltweit  übertragen wollen. Schließlich wissen wir, dass Aufnahmen der Gewalt gegen Juden bei Antisemiten große Freude auslösen.

    Die meist jüdischen Passagiere in der Maschine hatten nicht die Absicht, nach Dagestan zu fliegen, aber sie hatten keine andere Wahl. Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine verlängerte ihren Flug, weil russische Fluggesellschaften keine Airbus- und Boeing-Flugzeuge einsetzen können, daher müssen jetzt bestimmte Flüge aus Israel dort landen. Einige der Menschen, die bereits aus dem Flugzeug gestiegen waren, wurden auf wundersame Weise gerettet, nachdem sie ein Hubschrauber abgeholt und zu einer Militärbasis gebracht hatte. Ironisch ist, dass einige der Passagiere aus Dagestan stammten und nach Israel kamen, um sich dort medizinisch behandeln zu lassen.  

    Fotocredit: Witness accounts, X

    Natürlich sind allgemeine Pogrome und auch Pogrome gegen Juden im Besonderen nichts Neues. Aber es gibt etwas überraschendes an den Hunderten von jungen Männern, die Frauen, Kinder und andere wehrlose Menschen jagen, die einfach nur durch ihr Land reisen. Wie dunkel kann da die Dunkelheit sein? Offenbar wie das Universum, unendlich. 

    „Wir sind wegen der Juden gekommen, um sie mit einem Messer zu töten oder zu erschießen“, erzählt jemand im Video auf Social-media. Eine meiner Meinung nach gute Ergänzung zu den weltweiten pro-palästinensischen Demonstrationen. 

    Denn die Demos dienen nicht den palästinensischen Interessen wie z.B. die Zukunft der Palästinenser in der Palästinensischen Autonomiebehörde, sondern sind lediglich eine Möglichkeit für ungezügelte und barbarische Gewalt gegen die Juden, wie es in den 18. oder 19. Jahrhundert in der Ukraine oder in Russland geschehen ist – und nun spielt sich dasselbe erneut vor unseren Augen ab. 

    Das Motto von „Freies Palästina“ ist ein Schutzschild, der solch extreme Gewalt, die schon vorher auf ihren Ausbruch wartete, ermöglicht. Nun ist die Welt aber nicht erschüttert davon. Alles bleibt in der Routine und die Gedanken, dass „die Juden wieder Chaos verursachen“, taucht bestimmt schon bald wieder auf. Naja, in hundert Jahren scheint sich das menschliche Gehirn auch nicht  weiterentwickelt zu haben! Traurige Tatsache!  

    Am selben Tag kehrten die schweren Angriffe nach Jerusalem und Umgebung zurück. Ein Polizist wird tödlich verletzt, das  Westjordanland heizt sich langsam auf. Am 30. Oktober schreibt Amir Ben-David in „Zman Israel“: „Es besteht eine riesige, derzeit vielleicht unüberbrückbare Kluft zwischen der Art und Weise, wie Israelis die Ereignisse erleben und der Art und Weise, wie sie in der Welt dargestellt werden.“ Und er fährt fort: „… uns hier ist klar, dass der Kampf gegen die Propaganda, unterstützt von Katar, China, Russland, Iran, Hamas und ihren Anhängern in Europa und Amerika, schwerlich zu unseren Gunsten entschieden wird. Selbst wenn die gesamte jüdische Bevölkerung von acht bis zehn Millionen Menschen hier ihr Leben dafür einsetzte, wir werden nicht in der Lage sein, gegen die Milliarden von Menschen und Dollars, die gegen uns investiert werden, zu gewinnen.“

    Ich frage mich dennoch, wie es eigentlich dazu kommt, dass wir hier um‘s Überleben kämpfen und eine erklärte terroristische Organisation in den meisten westlichen Ländern so viel Unterstützung gewinnt? 

    Wenn die Welt danach strebt, den Juden das Recht auf Leben zu nehmen, dann habe ich das Recht, alles zu tun, um mich selbst zu schützen. Vielleicht es ist Zeit, ein paar Regeln zu brechen. Was würdest Du tun?

  • Yulis Tagebuch, Haifa (26)

    Dieser Text erschien am 17. Mai 2024 zuerst in der deutschen Version und wird jetzt mit Hilfe von Google und spanischem Lektorat auch auf spanisch zur Verfügung stehen.

    Das Interview (Yocheved Lifshitz und Nurit Cooper)

    Die 85-jährige Yocheved Lifshitz und die 80-jährige Nurit Cooper aus Nir-Oz wurden nach fast drei Wochen aus der Gefangenschaft der Hamas entlassen. Zwei Ehefrauen, Mütter, Großmütter. 

    Ihre Männer sind in Gefangenschaft geblieben, die Terroristen ließen sie nicht frei. Zwei Großväter, die die Entstehung Israels erlebten, sitzen noch immer als Geiseln in den Händen von Terroristen in Gaza. 

    Yocheved Lifshitz und ihr Mann Oded waren Friedensaktivisten. Ein Ehepaar, das viel riskiert hat, um Krebskranke aus Gaza in die Krankenhäuser in Israel zu bringen. Als sie nach Gaza entführt wurden, war das den Gazaers egal – für einen grausamen, entschlossenen und hasserfüllten Feind spielt es keine Rolle, ob ihre Geiseln Rechte oder Linke sind, ob sie an Koexistenz und Frieden glauben oder nicht. Für Terroristen jeder Art ist all das ein großer Blödsinn. Selbst glauben sie weder an Koexistenz noch an Frieden, solche Begriffe gehören nicht zu ihrem Wortschatz. Sie wollen eliminieren. Punkt. 

    Sie behandelten Yocheved mit Grausamkeit, als wäre sie ein Objekt. Sie legten sie auf den Motorradsitz und rasten mit ihr durch die Felder bis nach Gaza. Sie schlugen sie so, dass sie kaum noch atmen konnte. Kurz vor der Entlassung aber zeigte Hamas „live“ der Welt ihre Menschlichkeit – durch das Servieren von Süßigkeiten und Kaffee für die entführten Frauen. Zudem hat ein Hamas-Sprecher kommentiert, sie seien trotz der Verbrechen „der Besatzung“ aus humanitären Gründen freigelassen worden. Berührend!! 

    Die Verwendung des Wortes „humanitär“ bei Hamas-Sprechern und dieses Zitieren in den Medien weltweit machen mich echt wütend. Und welche Besatzung? Ich verstehe diesen Bezug immer noch nicht. Wie kann ein Staat, der nie existiert hat, behaupten, er sei besetzt worden? Und wie könnte jemand dafür protestieren? Denn den Palästinensern wurde ein Staat mehrmals angeboten und haben nicht sie selbst immer wieder abgelehnt? 

    Vor ein paar Tagen hörte ich, dass sich die Muslime des Geburtenmangels im Westen bewusst sind und angesichts des natürlichen Anstieges der arabischen Bevölkerung ist ihnen ebenso klar, was das heißt für die Welt der Zukunft. Verfolgt man den Gedanken, dann ist der logische Schluß, daß selbst wenn es keinen Krieg gäbe, sie die Welt auch so numerisch erobern werden. Dann viel Glück Europa und für die stumme Frauenorganisationen der Welt habe ich noch den Rat: Vergesst bitte nicht, euch ein Hijab für die Zukunft zu besorgen.

    Viele der Entführten besitzen eine zweite Staatsbürgerschaft und die entsprechenden Länder intervenieren in Verhandlungen zugunsten ihrer entführten Bürger. Aber es gibt auch dort Menschen ohne zweite Staatsbürgerschaft, und die haben ein „schlechteres Glück“ als die anderen.

    Fotocredit: Courtesy Hostages and Missing Families Forum. Yocheved Lifschitz, (left), and Nurit Cooper (right).

    Nach ihrer Entlassung ist Yocheved sofort in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Später wurde sie dort noch interviewt. Unter anderem erzählte sie, dass sie zu einer großen Halle gebracht worden sei, wo insgesamt 25 der Entführten gewesen wären. Nach zwei oder drei Stunden teilte man die Gefangenen auf. Fünf Menschen aus dem Kibbuz Nir-Oz brachten sie in einen separaten Raum. Sicherheitspersonal und ein Sanitäter waren ständig mit dabei. Es kam dann ein Arzt und sorgte dafür, dass sie Pillen bekamen. Sie lagen dort auf Matratzen und Personal kümmerte sich um die Hygiene. Der Arzt kam alle zwei oder drei Tage wieder und brachte Medikamente mit. 

    Mir war klar, dass Yocheved jedes Wort ihrer Erzählung sorgfältig erwog, war doch ihr Ehemann unverändert in der Hand der Hamas. Die beiden Frauen wurden vielleicht sogar direkt angewiesen, was sie sagen sollen. So oder so wissen die Frauen, dass ihre Worte das Schicksal anderer bestimmen. 

    Für manche Journalisten in Israel glich das Interview von Yocheved einem Schuss in‘s Knie.  Die Behauptung lautete, Lifshitz habe die Hamas in einem positiven Licht dargestellt, als ob sich die Organisation um die Gefangenen kümmere, und ein solches Interview könnte außer in Israel falsch interpretiert werden. Manche nannten es „Stockholm-Syndrom“. 

    Aber die Hauptfrage ist doch eigentlich: Wie kann es sein, dass zwei alte Frauen, die kürzlich aus der Gefangenschaft entlassen wurden, von Journalisten interviewt werden und kein einziger offizieller israelischer Vertreter ist vor Ort? Wie konnte das Krankenhaus das Interview in dem Moment zulassen? 

    80-jährige Frauen, die zweieinhalb Wochen mit Monstern in Höhlen und Tunneln gewesen waren, wohlwissend, daß ihre Männer und Nachbarn immer noch in Gefangenschaft sind (und möglicherweise die Gefangenschaft nicht überleben), dürfen meiner Meinung nach alles sagen. Denn sie verstehen die Gefangenschaft und wissen, was wir nicht wissen. 

    Fotocredit: AP- Yocheved Lifshitz am Krankenhaus in Tel Aviv nach ihrer Entlassung (AP)

    Eventuell sollten alle offiziell an ihrer Seite stehen, anstatt sich  über ihre Geschichten zu beschweren! Yocheved sah innerlich und äußerlich so gebrochen aus und die Stille, mit der sie ihre Geschichte erzählte, erschütterte mich innerlich. Mir wurde klar, wie schlecht es ihr geht. Aber was könnten wir von unserer Regierung erwarten? Es ist nur ein weiterer Misserfolg in einer Kette von Misserfolgen. Lass sie alle frei, ich bitte Dich, Gott!

  • Yulis Tagebuch, Haifa (25)

    Dieser Text erschien am 12. Mai 2024 zuerst in der deutschen Version und wird jetzt mit Hilfe von Google und spanischem Lektorat auch auf spanisch zur Verfügung stehen.

    Gedenktag in Israel an den Holocaust und den 7. Oktober/Erinnerungsarbeit

    Zeitzeugen stellen als Quellen historischer Erkenntnis stets eine wichtige Verbindung zwischen Generationen, Kulturen und Zeiten her. Ihre privaten Geschichten werden dabei vor allem als individuelle Erzählungen vermittelt und interpretiert. In Bezug auf den Holocaust wurden in den lokalen kulturellen Kontexten die Holocaustzeugnisse zumeist in eine umfassendere Bedeutung als die persönliche Geschichte integriert. Und trotz der zunehmenden Entfernung von jener Zeit sowie den Versuchen der Leugnung oder auch gelegentlich anzutreffender Gleichgültigkeit gegenüber dieser Vergangenheit wurde bislang die Singularität des Holocaust als einzigartiges Geschehen in der Geschichte der Menschheit bewahrt. 

    Der Holocaust wurde dabei zu einer Geschichte, durch die sich jede menschliche Gesellschaft in ihrem kulturellen Kontext zur Prüfung aufgefordert sieht. In der gegenwärtigen Realität arbeitet die Leugnungsmaschinerie der Hamas ununterbrochen, nicht nur um die eigenen Gräueltaten zu leugnen, sondern auch um auf alle Fälle den Mythos des Opfers zu behalten, auf dem das langjährige palästinensische Narrativ fußt und über das die Hamas ihre Schirmherrschaft übernahm, wie sie es offiziell in einem Dokument ausdrückt. 

    Viel mehr und im Gegensatz zu den gefilmten Gräueltaten des 7. Oktober bereiten die Hamas und ihre Unterstützer Filme über die Tötung und Zerstörung in Gaza vor, die in den Nachrichtensendungen überall im Ausland gezeigt werden und dort überaus präsent sind – und die so die Verbrechen der Hamas täglich in einen anderen Kontext stellen und unsere Geschichte zahlenmäßig in den Hintergrund drängen. 

    Die Welt hat den 7. Oktober schon fast vergessen. Schlimmer ist es, dass viele so gar keine Ahnung davon haben. Eine erstaunliche wahre Geschichte aus dem letzten Tage beginnt mit einer Facebook-Post einer Israelin, die Süditalien besuchte. 

    In einem Restaurant unterhielt sie sich mit dem Kellner und er hat ihr von seinen israelischen Freunde erzählt. Fröhlich hat ihr der Kellner das Foto von den Bekannten gezeigt, die ein paar Monate zuvor im Restaurant saßen und mit ihm das Foto aufnahmen. 

    Auf dem Foto sieht man die Touristen Shiri und Yarden Bibas, die mit ihrem rothaarigen Kind seit mehr als einem halben Jahr in Gaza in Gefangenschaft sind. 

    Der verlegene Kellner hatte davon aber keine Ahnung. Wie kann das sein, dass die Nachrichten über die Entführten nicht überall bekannt und ungeheuer wichtig sind? Wie kann es sein, dass unsere Seite in dieser Geschichte so deutlich ignoriert wird? Wie kann es sein, dass trotz der Zeugnisse und der Berichte der Entlassenen über die Vergewaltigung der Frauen und Männer in der Gefangenschaft die Frauenorganisationen noch immer Stille bewahren?

    In den ersten Tagen der Katastrophe waren es die Bilder aus den schönen Momenten vor dem Massaker, die die westliche Welt mit unserer Geschichte verbanden. Bands, die sich nie mit Israel identifizierten, wie U2 oder Coldplay sangen im Gedenken an die Musikliebhaber vor Millionen von Fans. Weil Nova den Westen symbolisierte; Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Und diese Geschichte gelangte in einen lokalen kulturellen Kontext und schaffte es, die Menschen zu berühren.

    Aber seit Israel gegen die Hamas kämpft, hat die Welt diese gemeinsamen Werte, für die wir kämpfen, augenscheinlich wieder vergessen. Die Welt hat die Fotos der Massaker unterdrückt, während Bilder aus dem Gazastreifen die Media überfluten. 

    Daraus sollten wir lernen, dass die gefilmten Beweise der Körperkameras der Terroristen und der weltweit gezeigte Atrocities Film nicht ausreichen, um mit der Leugnung und dem Vergessen der Verbrechen vom 7. Oktober umzugehen. Denn die Erinnerung basiert nicht nur auf einem Foto oder einem Video, sondern darauf, wie die Taten in einem größeren Kontext weiter angenommen und interpretiert werden und wie die Bedeutung der Beweise vertieft wird und der Zuhörer für sich die Möglichkeit der Identifikation eröffnet.

    Genau diese Arbeit wurde durch Aussagen von Holocaust-Überlebenden wirksamer geleistet als durch Filme aus dem Holocaust. Und hier sollen wir es auch machen. Nicht, weil wir die Zuhörer überzeugen wollen, sondern um mit ihnen zum ersten Mal unsere Geschichte im Ganzen zu teilen. 

    Die Vielzahl der Zeugnisse der Nova-Überlebenden, der Überlebenden der Kibbuzim, der Entlassenen aus der Gefangenschaft, die Geschichten der Opfer und mehr, sind ein wesentlicher Bestandteil der Geschichte des 7. Oktober und nicht weniger bedeutsam als die Filmaufnahmen der Hamas. 

    Wer auf der Welt weiß, dass über 50 Menschen, die die Massaker des Festivals überlebt haben, später Selbstmord begangen haben?Die Trauer darüber ist unendlich. Die Israelis sind eventuell Tuff, aber sind genauso empfindlich. All dies aber muss in einen größeren Kontext eingebunden werden – menschlich und kulturell weit über das Politische hinaus –, um beim Zuhörer Verständnis für unsere Geschichte zu schaffen. Nicht umsonst nennt die historische Holocaust-Forschung dies „die Arbeit an der Erinnerung“. Denn Erinnerung ist etwas, das sich in verschiedene Richtungen verändert und entwickelt, und wir haben gegenüber den Opfern und Überlebenden die Pflicht, dafür zu sorgen, dass sie erhalten bleibt.

    von Guy Morad. Haus am Kibbuz Amit Soussana Speaks About Her Days in Hamas’ Captivity