Siebte Runde
In der Nacht zwischen den 30. November und dem 1. Dezember wurden acht Entführte freigelassen. Als die Zahl der Freigelassenen abnahm, zog sich das Herz stärker von allein zusammen. Es ist von großer Bedeutung, ob ein oder vier Menschen weniger freigelassen werden, und es ist beängstigend zu wissen, wie viele zurückbleiben mussten.
Nach 55 Tagen in Gefangenschaft kehrten sieben Frauen und ein Junge zurück: Mia Shem, Amit Soussana, die Geschwister Bilal und Aisha Al-Ziyadna, Ilana Gritzewsky, Nili Margalit, Shani Goren und Sapir Cohen.
Bilal (18) lebt mit seiner Familie in Rahat. Er wurde zusammen mit seiner Schwester Aisha (17), seinem Bruder Hamza (22) und seinem Vater, Yusef (53) am Morgen des 7. Oktober aus der Scheune im Kibbutz Holit, wo sie arbeiteten, entführt.
Nili Margalit aus Nir-Oz (41) arbeitet als Krankenschwester im Soroka Hospital. Nilis Familie erfuhr erst, daß sie entführt wurde, als ihr Kibbutz-Nachbarin Yocheved Lifshitz aus der Gefangenschaft am 24. Oktober entlassen wurde und ihnen erzählt wurde, dass sie an ihrer Seite war und sich um die Verwundeten gekümmert habe.
Ilana Gritsevski (30) wurde in Mexiko geboren und wanderte im Alter von 16 Jahren im Rahmen des Zionismus-Programms NA‘ALE nach Israel aus. Ihre Eltern und ihre Schwester wanderten später ebenfalls nach Israel aus. Ilana war sehr glücklich mit ihrem Partner Matan Zangauker (24). Die beiden lebten zusammen in Kibbutz Nir-Oz. Am 7. Oktober telefonierte Matan mit seiner Mutter und beruhigte sie. Kurz bevor die beiden entführt wurden, schrieb er an seine Mutter: „Sie sind hier, zu Hause, Mama. Ich liebe dich, weine nicht.“
Sapir Cohen (26) und Sasha Trufanov (28) zogen etwa einen Monat vor der Entführung zusammen im Zentrum Israels ein. Am 7. Oktober kamen sie nach Nir-Oz, um Sashas Familie zu besuchen. Sapir wurde zusammen mit Sasha, seiner Mutter Yelena Trufanov und ihrer Mutter Irena Tati nach Gaza entführt. Die Mutter und die Großmutter wurden in der sechsten Rundes zu Ehren Putins freigelassen. Alex bleibt noch in Gaza.
Shani Goren (26) aus Nir-Oz arbeitet mit Kindern im informellen Bildungssystem. Sie liebt ihren Job sehr. Als er aus der Gefangenschaft entlassen wurde, erzählte Eitan Yahalomi (12), dass Shani in der Gefangenschaft ihm ihr Essen gegeben habe.
Am 7. Oktober war Shani allein zu Hause, eingeschlossen in ihrem Sicherheitsraum. Während die Terroristen in den Kibbutz eindrangen, telefonierte sie mit der Freundin ihres Bruders und übte mit ihr am Telefon das Atmen, um sich zu beruhigen. Nach zwei Stunden Telefonat brachen die Terroristen in den Sicherheitsraum ein und holten sie aus dem Haus. Das Telefon blieb geöffnet, aber sie hörten Shani nicht, sondern nur Gespräche auf Arabisch. So wusste die Familie zumindest, dass Shani lebendig entführt worden war.
Amit Sosna (40) ist von Beruf Rechtsanwältin. Im letzten Jahr zog sie in den Kibbutz Kfar-Gaza, aus dem sie entführt wurde. Es wird einige Monate dauern, bis Amit beschließt, zu enthüllen, was sie in der Gefangenschaft durchgemacht hat.
Mia Shem (21) lebt in Shoham. Sie wurde von der Party in Re’im Snach Gaza entführt. Bevor sie entführt wurde, hatte sie ein wenig Zeit, mit der Familie zu sprechen und ihnen zu sagen, dass sie angeschossen wurde. Dann ist der Kontakt mit ihr abgebrochen. Wenige Tage nach ihrer Entführung veröffentlichte die Hamas ein Video von Mia. Dies war das erste von der Hamas veröffentlichte Video von Entführten. In dem Video ist Mia mit einer verletzten Hand zu sehen und sie sagt, dass sie sich einer Operation und medizinischer Behandlung unterziehen mußte und darum gebeten habe, so schnell wie möglich nach Hause zurückgebracht zu werden. Am Tag ihrer Freilassung beeilte sich die Hamas erneut, ein Video zu veröffentlichen, in dem Mia erzählt, wie gut die Bedingungen und wie freundlich die Menschen waren.
Nachdem sie die Grenze überquert hatte, sagte Mia, daß es tatsächlich keine einzige Person in ihrer Nähe gab, die nicht an ihrer Entführung und Festnahme beteiligt gewesen wäre: „Es gibt dort keine Unschuldigen, sie sind alle Teile davon.“
Im Mai hat Mias Mutter, Karen, etwas gesagt, das bis heute noch sehr relevant ist: „Die Familien der Entführten sind zu einem Konzept, einer Art Plakat geworden. Wir, die Familien, die Entführten, die zurückgekehrt sind, die Eltern, die ihre Kinder verloren haben, solange wir Menschen dort haben, bluten wir, atmen wir nicht und können nicht weitermachen. Es ist unmöglich, während wir noch im Krieg sind und in diesen unmenschlichen Situationen, uns zu erholen. Der Staat und die Bürger werden sich nicht erholen können. Jeder muß hier sein, es muss ein Ende haben.“
Seitdem sind 338 Tage vergangen. Und morgen zählen wir einen weiteren Tag.