Die Vierte Runde
Gemäß einer vierten Vereinbarung wurden jetzt zwei Frauen und neun Kinder freigelassen, ausgetauscht gegen 150 Terroristen aus israelischen Gefängnissen. Zwei Brüder, Or (12) und Yagil Yaakow (16) wurden freigelassen, ihr Vater muss in Gaza bleiben.
Eitan Yahalomi (9), der auf einem Motorrad entführt wurde, ist ebenfalls frei. Sein Vater, der zu Hause im Kibbuz Nir-Oz verletzt und später entführt wurde, bleibt in Händen der Entführer. In der Liste waren auch Sahar (16) und Erez (12) Calderon. Deren Vater muss ebenfalls in Gaza bleiben. Am 7. Oktober wurden ihre Großmutter Carmela und die 13jährige Cousine, Noya, im Kibbuz ermordet.
Sharon Aloni Cunio mit ihren dreijährigen Zwillingen Emma und Yuli, Sharons Schwester Danielle, die am 7. Oktober mit ihrer Tochter ihre Schwester in dem Kibbuz besuchte, wurden ebenfalls entführt. Sie wurde in einer ersten Runde zusammen mit Emilia, ihrer Tochter, freigelassen. David Cunio, Sharons Ehemann, bleibt in Gaza. Karina Engel-Bart, ursprünglich aus Argentinien, wurde mit ihren Töchtern Mika (18) und Yuval (11) freigelassen.
Ich hätte jetzt so gerne geschrieben, dass auch Shiri Bibas gemeinsam mit ihren beiden süßen rothaarigen Kindern Kfir (9 Monate) und Ariel (4) zurückgekommen wäre, denn Ariel und Baby Kfir sollten nicht in Gefangenschaft sein, sondern zu Hause leben, sicher und fröhlich spielen dürfen. Weder Gewehre noch Granaten sollten über ihre Köpfe hinweg abgefeuert werden. Leider sind aber auch sie noch immer in Gefangenschaft.
Ich schaffe es nicht, über 250 Gefangene zu erzählen. Ich kann nur über manche von ihnen reden und versuchen, ihre Geschichten zu vermitteln. Der psychologische Terror, den die jungen Menschen durchgemacht haben, offenbart sich erst langsam nämlich dann, wenn sie darüber reden können.
So die Geschichte von Orund und Yagil Yaakov, zwei Brüdern, die in der Gefangenschaft getrennt wurden und unter Drogen gesetzt wurden. Auf dem Weg nach Gaza wurden, um ein Weglaufen zu verhindern und sie zu „markieren“, ihre nackten Füße gegen den Auspuff des Motorrads gedrückt und ihnen so Verbrennungen zugefügt, damit sie nicht entkommen konnten. So können sie auch schnell identifiziert werden. Später, in der Gefangenschaft, erschien Yagil in einem vom Islamistischen Dschihad verbreiteten Horrorvideo, verängstigt und ungesund sein Aussehen, mit dunklen Augenringen. Er ist ein Kind mit einer lebensbedrohlichen Allergie gegen Erdnüsse, das warf ein großes Fragezeichen zu seinen Überlebenschancen in Gefangenschaft auf.
Auch die gesamte Familie von Eitan Yahalomi wurde entführt. Nur durch Glück gelang es seiner Mutter, die mit einem Baby und einem Mädchen entführt wurde, zusammen mit den beiden vom Motorrad zu springen. Als die Terroristen auf den Zaun zufuhren, sahen sie einen IDF-Panzer. Gestresst und überrascht stürzten sie mit dem Motorrad. Die Mutter hat die Gelegenheit genutzt, um zu entkommen, während sie ihren Sohn auf dem Motorrad vor sich sieht, das weiter nach Gaza fährt. Sie liefen auf die Felder zwischen Israel und Gaza und blieben dort, bis die IDF sie einige Stunden später fand.
Als Eitan in Gaza ankam, schlugen die Bewohner des Gazastreifens ihn und die anderen Entführten auf der Straße. In der Gefangenschaft wurde ihm erzählt, dass auch seine Mutter entführt worden sei und es kein Israel mehr gäbe. Er konnte nur auf die Toilette gehen und wenn er Hunger hatte, hat er sieben Stunden auf etwas Reis gewartet. Ja, der psychologische Terror in der Gefangenschaft hat die Kinder nicht verschont.
Sie zwangen Eitan, sich das Horrorvideo anzusehen, das die Armee für Beamte im Ausland vorbereitet hatte und das Aufnahmen der Terroristen in einer unzensierten Fassung enthielt. Weinen war ihm und den anderen Kindern nicht erlaubt, sie wurden dann mit einer Waffe bedroht. Wenn es um Kinder geht, weiß die Forschungsliteratur nicht, wie man damit umgehen soll, weil so etwas noch nie passiert ist. Es gibt keine Studien zu Kindern in der Gefangenschaft. Vielleicht weil es so abgrundtief böse ist, dass man es nicht denken will.
Jeder Entführte, ob jung oder alt, der zurückkehrt, bleibt noch lange psychologisch gefangen. Aber die Sorge um die Kinder und der Wunsch, sie zu schützen und zu heilen, ist grenzenlos. Über die Männer wird zwar weniger gesprochen, weil sie zuerst die Frauen und Kinder befreien wollen, aber sie sind auch jemandes Kinder, jemandes Vater, Großvater, Liebhaber. Auch sie machen sich Sorgen, sie sind verletzt, sie weinen und auch sie müssen so schnell wie möglich nach Hause kommen.
Gleichzeitig werden in Gaza kämpfende Soldaten getötet. Sie sind dort, um alle nach Hause zu bringen und uns ein Leben in Frieden zu ermöglichen. Ja, … und wir sind zu Hause, gelähmt vor Trauer, weinen mit ihnen, weinen für sie. Und für den Rest der Welt ist nur ein weiterer Tag vergangen.